Fairplay 108 – Rezension: Abluxxen

Erste Ausgabe von Abluxxen (Ravensburger)
Vierte Ausgabe von Abluxxen (Amigo)

ABLUXXEN ist ein sehr passender Name für dieses neue Ravensburger Kartenspiel. Den haben aber jetzt weniger Redaktion oder Autorenduo (das Erfolgsteam Wolfgang Kramer und Michael Kiesling) zu verantworten, sondern er wurde über das Internet bei zukünftigen Interessenten gesucht und unter etlichen Vorschlägen als geeignet für dieses Spiel bestimmt. Das ist eine ungewöhnliche Aktion, schafft aber Interesse und Spannung im Vorfeld und sorgt für Kundenbindung, denn wer will nicht an einem Endprodukt mitgewirkt haben? Dieser Marketing-Schachzug ist geglückt.

Das Kartenspiel selber funktioniert richtig gut und bietet eine gehörige Portion Innovation. Aber zunächst kommt einem vieles bekannt vor: Es gibt 104 Zahlenkarten mit jeweils acht Mal den Werten „1“ bis „13“. Dazu gesellen sich fünf Jokerkarten. Jeder Wert hat seine eigene Farbe, was Übersichtlichkeit verschafft, denn es ist Ziel, möglichst viele Karten eines Wertes, sprich einer Farbe zu sammeln. Das bringt Spielvorteile.

Zu Beginn hält jeder 13 Karten auf der Hand. Wer am Zug ist, legt aus seiner Hand eine oder mehrere Karten vor sich ab. Sind es mehrere, müssen sie denselben Wert haben. Wenn aber jetzt bei bekannten Spielen (z.B.: EINER IST IMMER DER A…) ein nachfolgender Spieler die Auslage des Vorgängers in Anzahl oder Wert übertrumpfen muss, ist das hier anders. Jeder kann und muss immer, wenn er zum Zug kommt, eine oder mehrere Karten vor sich auslegen. Dabei verfolgt man zwei Ziele:

Zum einen ist jeder darauf bedacht, möglichst viele Karten auszuspielen, denn jede offene Karte bei sich zählt am Ende einen Punkt und nicht mehr einen Minuspunkt als Handkarte. Zum anderen wird das titelgebende „Abluxxen“ versucht. Wenn man die gleiche Anzahl an Karten mit einem höheren Wert auslegt, als ein Mitspieler offen vor sich liegen hat, dann luxxt man diese Karten ab. Das bedeutet, man nimmt sie auf die eigene Hand, um sie, hoffentlich in Kombination mit eigenen Handkarten gleichen Wertes, beim nächsten Mal vor sich als mächtige Kombination auszulegen. So wird man schnell viele Karten los und sammelt sie auf dem eigenen Punktstapel. Gleichzeitig nimmt man Karten und somit Punkte aus der Auslage eines Mitspielers. Zusätzlich muss der Geschädigte auch noch die gleiche Anzahl an Karten aus einem offenen Pool oder vom Nachziehstapel nehmen. Das muss allerdings nicht eine weitere Strafe sein, mit Glück erhält man Kartenwerte, welche die eigene Kartenhand wieder optimieren. Das ist das Herzstück beim ABLUXXEN. Dieses Ärgermoment macht mächtig Spaß. So kommen überraschende Wendungen ins Spiel, und auch die Spannungskurve wird befeuert, denn jeder hofft, bangt und zittert, dass die eigenen ausgelegten Karten eine gute Bank sind und nicht genommen werden.

Im Mittelspiel, spätestens im Endspiel, kommt es aber zu Wendungen. Dann will man die abgeluxxten Karten gar nicht mehr haben, da die Kartenhand aufgestockt wird und man nie weiß, ob ein anderer durch Ausspielen seiner letzten Karte(n) Schluss macht. Handkarten zählen dann ja Minuspunkte. Da holt man sich kurz vor Schluss keine Pfläumchen mehr auf die Hand. Jetzt darf man bestimmen, dass dem Abgeluxxten die Karten wieder gehören, der sie erneut auf die Hand nimmt oder ablegt und aus dem Pool (vielleicht bessere) nachzieht. Auch in diesem Spielelement liegt eine spannungsreiche Entscheidung. Man weiß selten, was besser ist. Die Spieler stehen ständig vor Optionen. Das ist richtig großes Kino mit einem kleinen Kartenspiel!

Ein weiteres gelungenes Element ist das Optimieren der eigenen Kartenhand. Wie gelingt es, wenigstens eine möglichst lange Wertreihe zu sammeln, um diese in einem überraschenden Moment (meistens kurz vor oder ganz am Schluss) auszulegen und so die anderen durch ein frühzeitig herbeigeführtes Spielende zu schockieren? Da ist es durchaus ratsam, das Abluxxen vom eigenen Stapel durch das Auslegen weniger Karten zu provozieren, um aus dem offenen Pool Karten zu fischen, die die eigene Hand im beschriebenen Sinne ergänzen. Aber gelingt das auch? Liegen die erhofften Karten beim nächsten Mal noch in der Mitte, wenn tatsächlich abgeluxxt wird? Auch hier eröffnen sich neue Spannungselemente.

Es kann viel taktiert und ausprobiert werden. Ein bisschen Bluff ist auch dabei. Dabei gefällt besonders, wie oben schon analysiert, dass die beiden Spielphasen (Eröffnung und Endspiel) unterschiedlichen Spieltaktiken folgen und es eine gehörige Portion Fingerspitzengefühl bedarf, um hier den richtigen Zeitpunkt für den Taktik-Twist zu finden. So wird dem sonst bisweilen übergroßen Glück bei Kartenspielen eine nötige Portion an Eigenentscheidung entgegengestellt. Das lässt ABLUXXEN aus einer Fülle von Kartenspielen (und nicht nur in diesem Jahr) hervorstechen.

Grafisch begnügt man sich mit einem Luchskopf auf allen Kartenwerten. Das schafft allerdings die nötige Klarheit. Eine extra Luxx-Karte soll stets weitergereicht werden und den aktiven Spieler anzeigen. Beim schnellen Spielen wird das häufig vergessen. Nur bei Abluxx-Phasen fragt man sich manchmal, wer ist denn jetzt eigentlich am Zug? Erfahrene Spieler benötigen diese Hilfe nicht. Von Nöten, vor allem für das Hineinkommen in die verschiedenen Möglichkeiten des Abluxxens, ist eine übersichtliche Check-Liste, die auf der letzten Regelseite abgedruckt steht und eine richtige und wichtige Spielhilfe darstellt.

Wenn man häufig am Ende von Spielbesprechungen liest, dieses Spiel sollte man mal angespielt haben, um dann selber zu entscheiden, ob man sich diese Neuheit zulegt, so formuliere ich: Wer gerne Kartenspiele spielt und für neue Ideen offen ist, der muss sich ABLUXXEN zulegen. Das Geld, wem oder wo Sie es auch immer abgeluchst haben, ist gut investiert und macht sich durch lang anhaltendes Spielen mit diesen Luchs-Karten doppelt und dreifach bezahlt.

ABLUXXEN wurde von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling entwickelt, die Illustration besorgte Oliver Freudenreich. Das Spiel ist für 2 bis 5 Spieler ab 10 Jahren konzipiert und wurde von Ravensburger in 2014 veröffentlicht. In den Credits wird noch zusätzlich Kai Kornblum als Ideengeber für die Titelfindung genannt. Auf der Internet-Seite des Verlags kann man die Zusatzregel ABLUXXEN DUELL herunterladen, die das Spiel zu zweit verbessert.

Peter Neugebauer

Michael Kiesling und Wolfgang Kramer: ABLUXXEN für 2 – 5 Personen ab 10 Jahren mit Illustration von Oliver Freudenreich und Sergi Marcet bei Ravensburger 2014, Spieldauer 20 Minuten