Fairplay 141 – Rezension: Q.E.

Das Spiel zur Inflation

Gavin Birnbaum: Q.E. für 3 – 5 Personen ab 8 Jahren mit Illustration von Anca Gavril bei Strohmann Games 2022, Spieldauer 45 Minuten

“Too big to fail.” Kann sich noch jemand an diesen berühmten Satz aus der Finanzkrise 2008 erinnern? Es ging darum, dass einige Unternehmen, insbesondere Banken, zu groß und so sehr mit der Gesamtwirtschaft verwoben waren, dass die Staaten es nicht erlauben konnten, diese Firmen bankrottgehen zu lassen. Es kam zu milliardenschweren Wertpapierankäufen durch die Zentralbanken und eine expansive Geldpolitik. Quantitative Lockerung nennt man diese Ausweitung der Geldbasis. Auf Englisch heißt das “quantitative easing” oder auch kurz: Q.E. Um dieses Phänomen geht es in diesem Spiel, welches jetzt bei Strohmann Games auf Deutsch erscheint.

Zugegeben, der vorangegangene Absatz liest sich etwas technokratisch und macht nicht unbedingt Lust auf mehr. Er ist jedoch nötig, um die Bedeutung des Spieltitels zu erklären.
Sitze ich am Spieltisch, kündige ich Q.E. dann etwas anders an, nämlich so: “Wer hat Lust auf ein Auktionsspiel, das an HIGH SOCIETY erinnert, aber in etwa so komplex ist wie MODERN ART und auch ein paar Elemente von RA aufweist?” Alle drei genannten Spiele kommen bei uns noch immer regelmäßig auf den Tisch und sorgen dann für gute Laune.

Die Verwandtschaft zu den Klassikern von Reiner Knizia ist unverkennbar, trotzdem spielt sich Q.E. anders, was vor allem an einer Mechanik liegt, die ich so noch nicht gesehen habe: Da jede Spielerin und jeder Spieler die Rolle einer Zentralbank (etwa der amerikanischen Fed oder der europäischen EZB) übernehmen, gibt es keine Begrenzung der Geldmenge. Alle können immer so viel bieten, wie sie möchten. Allerdings scheidet am Ende jene Person aus, die am meisten Geld ausgegeben und somit eine Inflation in der eigenen Volkswirtschaft ausgelöst hat. Mechanisch grüßt HIGH SOCIETY, politisch klingt das nach einem ausgesprochen thematischen Spiel.

Versteigert werden in jeder Runde Unternehmen aus verschiedenen Wirtschaftszonen und unterschiedlichen Branchen, etwa ein Industrieunternehmen aus den USA oder ein Landwirtschaftsbetrieb aus der EU. Die ersteigerten Unternehmen bringen Punkte, zudem gibt es Punkte für Sets. Wer die EZB spielt, will möglichst viele EU-Unternehmen, die anderen Bankerinnen und Banker machen dasselbe für “ihre” Volkswirtschaften. Außerdem werden Punkte für Monopolbildung vergeben. Klassisches Set Collection halt, welches entfernt an RA erinnert.
Es wird der Versteigerungsmechanismus verwendet, dass eine Person jeweils einen Mindestpreis vorgibt und alle anderen exakt einmal überbieten dürfen. Dies geschieht geheim und auf Tafeln, welche nur von der Auktionatorin gesehen werden. Es wird auch nicht angekündigt, wie hoch der finale Verkaufspreis ist, sondern nur wer den Zuschlag erhält. Diese geheimen Informationen machen Q.E. zumindest in der ersten Partie so undurchschaubar wie MODERN ART. Erfahrungsgemäß steigen die Preise konstant an und liegen gegen Ende einer Partie erheblich über denen früherer Runden.

Ich will gar nicht groß drumherum reden: Q.E. ist bei uns ein Dauerbrenner, meine Mittwochsrunde mag Auktionsspiele mit psychologischem Element. Q.E. ist ähnlich wie MODERN ART ein Spiel, das immer besser wird, je häufiger alle Beteiligten es bereits gespielt haben. Es ist deshalb auch möglich, dass eine unbedarft bietende Person einem die Partie zerschießt, weil das schöne “Ich denke, was du denkst, was ich denke.” durch völligen Wahnsinn ersetzt wird. Oder ist das dann Satire auf das Gebaren der Notenbanken seit 2008?

Hendrik Breuer

Gavin Birnbaum: Q.E. für 3 – 5 Personen ab 8 Jahren mit Illustration von Anca Gavril bei Strohmann Games 2022, Spieldauer 45 Minuten

Dieser Text erschien in der 141. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit: Abonnieren Sie das gedruckte Magazin oder bestellen Sie das einzelne Heft.