Fairplay 135 – Rezension: Faiyum

Solo für den Pharao

Wir befinden uns in Ägypten, genauer gesagt in dem oasenartigen Becken Faiyum vor etwa 3900 Jahren. Unser Ziel ist es, dieses Sumpfland von herumlungernden Krokodilen zu befreien und urbar zu machen. Zum Wohle des Pharao, zum Wohle des Volkes, zum Wohle aller Mitspielerinnen. In diesem Fall sind alle Mitspielerinnen nur eine einzige, nämlich ich. Liegt natürlich an Corona. Zum Glück gehört ein Solomodus ja mittlerweile zum guten Ton.
Zurück zum Setting. Urbar machen bedeutet wie üblich Rohstoffe ernten, Siedlungen bauen und Infrastruktur hochziehen. Alle arbeiten gemeinsam an Faiyum, keiner Spielerin gehört etwas, abgesehen von Rohstoffen und Geld im eigenen Vorrat. Bauen und Ernten funktioniert dabei mittels des typischen Mechanismus‚ Karte spielen – Aktion ausführen‘.

Zu Beginn besteht meine Kartenhand aus fünf Startkarten, mit denen ich nur das Nötigste bewirke: Zwei Wege bauen, eine Siedlung errichten und drei Mal ernten. Dadurch komme ich an erste Rohstoffe und kleines Geld. Letzteres kann ich am Markt ausgeben, um stärkere Karten zu kaufen. Insgesamt 69 verschiedene Karten hat FAIYUM zu bieten, wobei nicht alle im verkäuflichen Teil des Marktes landen werden.

In meinem Zug stehen mir sämtliche Karten meines Decks zur Verfügung. Die benutzten lege ich gestaffelt übereinander ab. Wie viele das im Endeffekt sind, definiert einerseits mein Vorrat an Ressourcen, Geld und Arbeitern, den ich zum Aktivieren der Karten brauche. Und andererseits die Situation auf dem Brett. So kommt zwangsläufig der Moment, in dem ich nichts mehr machen kann oder will. Außer meine Karten wieder auf die Hand zu nehmen. Dazu führe ich jetzt eine Verwaltungsphase durch. Den Zeitpunkt für diese Phase bestimmt jede Mitspielerin selbst. Durch den Verwaltungsakt erhalte ich die Karten meines Ablagestapels der Reihe nach zurück. Die obersten drei sind kostenlos. Für jede weitere muss ich ein Geld zahlen. Mit dem schmalen Grundeinkommen von drei Geld, abzüglich der Anzahl meiner restlichen Handkarten, komme ich da leider nicht weit. Deshalb zwingt mich dieser Rückkaufmechanismus während der Aktionsphase zu vorausschauendem Handeln. Die Karten, die ich demnächst unbedingt wieder verwenden möchte, sollten also nicht ganz unten im Ablagestapel landen. Es sei denn, ich erwirtschafte in der Aktionsphase genügend Geld für den Rückkauf sämtlicher Karten. Oder aber ich nutze mein Barvermögen für Kartenzukäufe. Denn neue Karten sind nicht nur grundsätzlich stärker, ich darf sie in meinem nächsten Zug auch sofort ausspielen. Und überhaupt, wie lassen sich die Karten untereinander optimal kombinieren, um am Ende mit den meisten Siegpunkten dazustehen? Darum dreht sich alles in FAIYUM.

Was auf dem Papier möglicherweise nach viel Überlegungsarbeit und reichlich Downtime klingt, gestaltet sich in der Realität als ein Spiel mit flotten Zügen. Dass an jede Kartenaktion auch ein Ertrag in Form von Siegpunkten, Geld oder Ressourcen gekoppelt ist, macht FAIYUM trotz seiner knapp zweistündigen Spielzeit kurzweilig und belohnend. Auch im Solomodus. Das gefällt. Da war es nicht weiter tragisch, dass ich aufgrund von Spielfehlern ein paar Mal neu ansetzen musste. Am Regelheft lag‘s nicht, das lässt keine Fragen offen. Wohl aber an den Karten. Auf den ersten Blick scheint klar, was ich mit ihnen anstellen kann. Aber erst das Glossar verrät die kleinen Zusatzregeln, die an manchen Karten dranhängen und so nicht abgebildet sind.

Der Solomodus kommt ohne fiktive Gegnerin aus. Alles läuft wie im Mehrpersonenspiel ab: Karte spielen, kaufen oder Verwaltungsphase durchführen. In der Solo-Verwaltung hingegen kostet jede abgelegte Karte Geld. Die oberste ein Geld, die zweite zwei, die dritte drei,… Irgendwo muss der Druck ja herkommen, wenn ich mich schon ungehindert auf dem Brett ausbreiten kann. Außerdem müssen noch zwei Karten des Marktes ausgetauscht werden. Mehrpersonen- und Solospiel enden, wenn der Nachziehstapel aufgebraucht ist.

Alsdann bietet der Solomodus die übliche Highscore-Jagd. Wer darauf keine Lust verspürt, für den hält FAIYUM überdies eine Solokampagne bereit. Na dann Kampagne!

Sie besteht aus sieben Zielen. Um das erste Ziele abzuhaken, muss ich mindestens 150 Siegpunkte erreichen. Alle weiteren Ziele beziehen sich auf den Ausbau der Infrastruktur und können in beliebiger Reihenfolge abgearbeitet werden. Für jedes erfüllte Ziel gibt es immer die nächste von insgesamt sechs Belohnungen. Sämtliche Belohnungen sind dauerhaft. Ich darf sie in allen folgenden Spielen nutzen. Und damit komme ich ruckzuck an den Punkt, an dem die Kampagne einknickt. Denn die summierenden Belohnungen machen das Spiel zu leicht. Sogar so leicht, dass ich in einer Partie gleich mehrere Ziele erfüllen konnte. Aber laut Regel darf ich immer nur eins abkreuzen. Das ist doch absurd. Ich bremse mich selber doch nicht künstlich aus. Warum soll ich sieben Partien spielen, wenn mit dreien schon alles erledigt ist? Das erschließt sich mir nicht. Im Gegenteil. Es entsteht der Eindruck, dass diese Kampagne kaum erprobt, mehr oder weniger einfach an FAIYUM angeklatscht wurde. Dann lieber keine, als eine schlechte Kampagne. Dann lieber nur die schnöde, aber ehrliche Highscore-Jagd.

Seit dem Kampagnen-Malheur habe ich FAIYUM nicht mehr angerührt. Auch deswegen, weil ab der regelkonformen zweiten Solopartie gefühlt immer dasselbe passiert. Ich kenne die Karten und spiele meinen Stiefel runter. Kniffelige Entscheidungen muss ich keine treffen. Im Solomodus fehlen mir Spannung, Abwechslung und Anspruch, trotz der vielen verschiedenen Aktionen und des neuartigen Deckbaumechanismus. Sicherlich ist das im Mehrpersonenspiel noch mal ganz anders. Deswegen gebe ich FAIYUM gerne eine zweite Chance für die Zeit nach Corona.

Astrid Diesen

Friedemann Friese: FAIYUM für 1 – 5 Personen mit Illustration von Harald Lieske bei 2F-Spiele 2020, Spieldauer 110 – 140 Minuten