Fairplay 134 – Rezension: Maximum Apocalypse

Die Chirurgin, der Revolverheld, die Jägerin und der Feuerwehrmann hatten es soeben geschafft den Unterschlupf zu erreichen. „Diese Apokalypse raubt uns noch den letzten Nerv!“

Gerade hatte der Feuerwehrmann noch seine Axt benutzt, um einen Marodeur in die Flucht zu schlagen. Unbemerkt krabbelte eine mutierte Ratte in das Zelt der Überlebenden und biss der Jägerin in die Hand. „Auauautsch!“ Besorgt besah die Chirurgin die Wunde, gab der Jägerin eine Spritze und verordnete etwas Ruhe.
Der Zelteingang wurde aufgerissen. Sofort versetzte sich die Gruppe in Alarmbereitschaft, jedoch kehrte nur die Mechanikerin von ihrem Streifzug zurück. „Hab‘ in der Tanke noch ‘n bisschen Bier un‘ was zu Futtern gefunden.“ Gierig machten sich alle über die willkommene Mahlzeit her. Schon nach wenigen Minuten war nichts mehr übrig und der Hunger für das Erste gestillt. Der Feuerwehrmann, der eine Art Anführer der Gruppe war, breitete auf dem Tisch eine große Karte aus. Nur die Taschenlampe, die sie im Einkaufszentrum gefunden hatten, spendete ein wenig Licht.

Die Tankstelle im Osten, jenes Einkaufszentrum im Süden und mehrere Felder wie auch Tunnel hatten sie bereits entdeckt. Das gesuchte Kraftwerk war noch nicht darunter. Nach reger Diskussion wurde beschlossen, am nächsten Tag im nördlichen Bereich des Gebiets weiterzusuchen, in der Hoffnung das Kraftwerk zu finden, um die Bombe zu entschärfen. Während der Nachtwache las die Jägerin in dem alten Tagebuch eines ehemaligen Mitarbeiters – Reliquien einer Zeit lang, lang vor der Apokalypse.

Am nächsten Tag brach der Revolverheld früh in ein unbekanntes Gebiet auf und musste sich auf der städtischen Straße gleich mit einem wilden Mutanten herumschlagen. Gift drang in seinen Körper ein, kroch in seinen Adern empor. Ein leichtes Kribbeln unter der Haut, dort wo sich die schiefen Zähne der Bestie in seinen Unterarm gebohrt hatten. Der kalte Schweiß stand ihm auf der Stirn, und sein Puls begann zu rasen. Wo waren bloß die anderen?

„Wir teilen uns auf“ war wieder eine der großartigen Ideen des Feuerwehrmanns gewesen. Dieser begleitete allerdings gerade die noch angeschlagene Jägerin, gemeinsam fanden diese das Krankenhaus. Dort beendeten diese auch ihre Tagesexpedition. Es wurde Nacht, und mit letzter Mühe schleppte sich der Revolverheld ebenso in das Hospital, jedoch im Schlepptau mit dem wilden Mutanten… Konnten die Überlebenden auch diesen Kampf überstehen, das Kraftwerk erreichen und die Bombe entschärfen? Haben sie es noch rechtzeitig zurück zum Bulli geschafft? Oder sind sie der Apokalypse zum Opfer gefallen…
Bei MAXIMUM APOCALYPSE entscheiden die Spieler:innen gemeinsam über das Schicksal der Gruppe. Dabei steuert jede:r einen Charakter mit speziellen Fähigkeiten, die den Überlebenden zugutekommen. Zu Beginn wählen wir je einen der sechs verfügbaren „Helden“ aus und nehmen uns das dazugehörige Karten-Deck – darin befinden sich spezielle Ausrüstungsgegenstände, Tiere und andere nützliche Dinge.

Nun entscheiden wir uns gemeinsam für eine von dreizehn verfügbaren Missionen. In einem mühelos zu bewältigendem Tutorial machen wir uns zunächst mit den Spielregeln vertraut und haben nur eine vergleichsweise einfache Aufgabe. Diese Spielregeln sind schnell verinnerlicht, auch wenn die beiliegende Spielregel leicht chaotisch aufgebaut ist. Aber was soll man in einer Apokalypse auch anderes erwarten?

Neben dem persönlichen Deck erhalten wir noch einen Anfangsgegner, welcher, je nach Mission, ein Zombie (leicht), Mutant (mittel) oder Roboter (schwer) ist. Für eine Mission ist zunächst die Missionskarte vorzulesen und deren Ziel zu bestimmen. So muss beispielsweise ein bestimmter Gegenstand gefunden, etwas transportiert oder ein bestimmter Ort erreicht werden. Nachdem Suchstapel mit etwas Verwaltungsaufwand zusammengestellt und Gebietsplättchen in einem beliebigen Raster angeordnet wurden, können wir uns auch schon ins Abenteuer stürzen.

In meinem Spielzug ziehe ich zunächst neue Karten von meinem eigenen Deck und darf anschließend vier Aktionen durchführen. Diese kann ich nutzen, um mich zu bewegen, neue Gebiete aufzudecken, Gegner anzugreifen oder aus einem Suchstapel neue Ausrüstung zu erhalten. Vieles ähnelt hier dem Spiel PANDEMIC, bringt aber durch unterschiedliche Strategien und unterschiedliche Zusammensetzung der Gebiete einiges Neues mit sich. Schließlich erscheinen auf zufälligen Feldern neue gegnerische Einheiten, die aber zunächst nur mit ästhetischen Holz-Tokens dargestellt werden. Allgemein macht das Spielmaterial einen wertigen Eindruck. Auf den Karten sind ansehnliche Zeichnungen zu finden, sodass die Spieler:innen gänzlich in das Spiel eintauchen mögen.

Da Spiele wie ZOMBICIDE und Co. durchaus in Würfel-Orgien und Dauerschlachten ausarten, sind diese in meiner Spielerunde verpönt und kommen erst gar nicht auf den Tisch. Anders bei MAXIMUM APOCALYPSE: Neben den marodierenden Horden stehen taktische wie strategische Elemente im Vordergrund. Mit meinen eigenen Karten aus dem Deck muss ich haushalten. Ist der Stapel leer, ist das Spiel verloren – ebenso bei einem vorzeitigen Ableben der Überlebenden, sei es durch Reduzierung der Lebenspunkte auf null oder akutes Nahrungsdefizit.

Da letzteres habituell eher nicht zu mir passt, habe ich einige Probleme die einzelnen Karten aus dem vollgestopften Spielekarton zu entnehmen: Weniger Weihnachtskekse essen führt zu weniger dicken Fingern und schließlich zu etwas mehr Geschicklichkeit. Sehe ich über diese Probleme hinweg, so spielt sich MAXIMUM APOCALYPSE in den leichteren Missionen in angenehmem Tempo flüssig durch, und die Aufgaben werden erfolgreich erledigt. Bis dann in den schwereren Aufträgen die Roboter-Gegner ins Spiel kommen…

MAXIMUM APOCALYPSE lässt sich prima auch zu zweit spielen, jede:r hat einen eigenen Kartensatz und es wird wenig fremdes oder gemeinsames Spielmaterial berührt. Von einer Partie zu Weihnachten mit der eigenen Oma würde ich dennoch abraten.

Lasse Goldschmidt

Mike Gnade: MAXIMUM APOCALYPSE für 1 – 6 Personen mit Illustration von Gustav Rangmar bei Grimspire 2020, Spieldauer 45 – 90 Minuten

Dieser Text erschien in der 134. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 24 Euro im Jahr.