Fairplay 134 – Rezension: Switch & Signal

Kooperatives Eisenbahnerwesen

Wo gibt es denn so etwas: Bei einem Eisenbahnspiel soll ich mit meinen Mitspielern zusammenarbeiten? Wir sollen gemeinsam Züge über den Plan lotsen, anstatt uns gegenseitig Gleise in den Weg zu legen, Aktienmehrheiten abzujagen oder um lukrativen Aktionsfeldern zu konkurrieren? Also das gab es ja noch nie, zumindest nicht in meinem Eisenbahnkosmos. Und schon gar nicht auf dem deutschen Schienennetz.

Sei es drum, versuchen wir uns mit SWITCH & SIGNAL gemeinsam als Eisenbahndisponenten. Das Streckennetz – wahlweise in Europa oder in den USA – steht schon, es gibt also nichts mehr zu bauen. Dafür gibt es jede Menge Signale – die meisten stehen auf Rot – und Weichen auf dem Spielplan, zusammen mit vier Produktionsstätten oder einem europäischen bzw. zwei amerikanischen Zielhäfen. Dorthin fahren alle unsere Züge, um die Waren abzuliefern. Wir gewinnen, wenn wir vor Spielende alle Lagerfelder in den Häfen mit Warensteinen belegen können.

Und es gibt drei verschiedene Zugkategorien, mit denen die Waren transportiert werden. Diese sind unterschiedlich schnell, repräsentiert durch drei Würfel mit unterschiedlicher Augenverteilung. Von jeder Kategorie können sich bis zu drei Züge auf dem Brett tummeln, die sich möglichst nicht begegnen sollten; denn Doppelgleise gibt es nicht.

Für erfahrene Modellbahner, die – besonders in der Vor-Digitalära – Anlagen mit einem Dutzend gleichzeitig fahrender Züge aufgebaut und gesteuert haben, wäre das, was nun kommt, wohl kein Problem. Für Hobbydisponenten wie mich und meine Spielerunde aber schon: Wir müssen mit unseren Handkarten Signale auf Grün setzen, Weichen umstellen oder einen Zug fahren lassen sowie in einer Stadt Waren aufladen.

Das wäre so schon unübersichtlich genug, aber das Spiel spielt auch noch mit und oft genug quer zu unseren Plänen: Per gezogener Fahranweisung können neue Züge ins Spiel kommen und diejenigen bewegt werden, die schon auf dem Brett sind. Wir Spieler müssen also schon in unseren Zügen vorausplanen, was möglicherweise durch die Karten ausgelöst wird. Wir haben viel abzusprechen. Welche Strecken muss der aktive Spieler freimachen, damit die Züge freie Fahrt haben? In welchen Städten werden Warensteine aufgeladen? Welche Route nehmen beladene Züge zum Zielhafen?

Dass dies keine triviale Aufgabe ist, haben wir in unseren beiden Partien gemerkt: Die erste endete, bevor wir auch nur die Hälfte der geforderten Waren abgeliefert haben – wir haben das Spiel nicht ernst genug genommen. In der zweiten hätten wir immer noch ein bis zwei Runden gebraucht, bis auch der letzte Bedarf befriedigt gewesen wäre – wir hatten nicht genug schnelle Loks auf dem Plan, dadurch wurde es zu eng.

Oft klappt es nicht so, wie wir erhofft hatten: Ein Zug fährt vor ein rotes Signal und hat noch Bewegungspunkte übrig; oder zwei stoßen zusammen; oder sie fahren in einen Startbahnhof ein. Jeweils kostet das eine Strafe in Form von Zeitsteinen. Ab einer bestimmten Zahl verlorener Zeitsteine büßt man eine der Fahranweisungen ein und wird damit näher ans Spielende katapultiert: Denn die Partie schließt, wenn die letzte Fahranweisung abgewickelt ist und der dann aktive Spieler seine letzten Handkarten gespielt hat. Schon mit der anfänglichen Zahl von 17 Fahranweisungen ist das sportlich.

Die Lernkurve ist groß: Ab der dritten Partie gibt es eine echte Chance, das Spiel zu besiegen, aber selbst ab dann wird es noch eng, wenn Fahranweisungen unpassend kommen und es zum Beispiel zu einem großen Eisenbahncrash kommt – der in der Folge viele Zeitsteine kostet.

Wer es einfacher will, nimmt mehr Zeitsteine ins Spiel. Wem die Herausforderung fehlt, kann mehr Waren transportieren. Die beiden Spielpläne haben ihre eigenen Herausforderungen: Während in Europa alle Waren nach Marseille geschafft werden müssen, sind in den USA je ein Hafen an der Ost- und an der Westküste zu versorgen. Mir scheint der USA-Plan etwas einfacher, da die Zugströme leichter zu entzerren sind.

SWITCH & SIGNAL ist für den Modellbahner eine gute Alternative, wenn er mal nicht in den kühlen Hobbykeller will, sondern seine Züge lieber im trauten, warmen Wohnzimmer rangieren möchte. Auch andere Spieler werden ihren Spaß haben – zumal die Spielzeit überschaubar ist. Aber ich greife mittelfristig lieber zu RUSSIAN RAILROADS oder ZUG UM ZUG: Konkurrenz belebt den Eisenbahn-Spielspaß.

Arne Claussen

David Thompson (I): SWITCH & SIGNAL für 2 – 4 Personen mit Illustration von Claus Stephan und Antje Stephan bei KOSMOS 2020, Spieldauer 45 Minuten

Dieser Text erschien in der 134. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 24 Euro im Jahr.

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