Fairplay 133 – à la carte

Allegra

ALLEGRA von Bella Lucca gehört in die Reihe der zur Zeit beliebten Sammel- und Tauschspiele, bei denen eine eigene Auslage optimiert wird. Klassisch sind da CABO oder die BIBERBANDEN-Spiele bei Amigo zu nennen. Etwas anspruchsvoller geht da SILVER von Ravensburger vor. Bemerkenswert ist das Phänomen SKYJO, das im Selbstverlag bei Amazon stets ganz oben im Kartenspielranking auftaucht. Deshalb gibt es wohl auch HILO bei Schmidt. Immer geht es darum, dass die Spieler eine verdeckte eigene Auslage von mehreren Karten durch Austausch so optimieren, dass gleiche Werte nebeneinander weggelegt werden dürfen und dass am Ende eine möglichst geringe Wertsumme zusammengezählt wird. Fast immer steckt eine Portion Memory im Geschehen, da verdeckt liegende Karten gemerkt werden sollten, bevor sie, hoffentlich nicht falsch memoriert, weggetauscht werden.

ALLEGRA verzichtet auf diese Memory-Komponente und ergänzt noch zwei raffinierte Kniffe. Zunächst muss man wissen, dass Kartenwerte von „-1“ über „0“ bis zur „11“ mehrmals im dicken Kartenstapel stecken. Jeder erhält zwölf Karten und bildet eine verdeckt liegende 4×3-Auslage. Die rechte Spalte wird mit einer roten Holzscheibe markiert. Diese Spalte gehört auch noch zum rechten Nachbarn. Jeder hat also eine 15er-Kartenauslage, wobei er sich mit seinen Nachbarn eine Kartenspalte teilt. In diese dürfen beide Spieler mit allen Rechten und Pflichten eingreifen. Das erfordert im wahrsten Sinne Um-die-Ecke-Denken. Weil hier bisweilen Chancen und Möglichkeiten übersehen werden, ist es erlaubt und gewünscht, dass das Spielgeschehen kommunikativ verläuft. Man darf den aktiven Spieler auf Legemöglichkeiten aufmerksam machen, die ihm, aber auch einem selber nutzen. Von Nutzen sind stets drei gleiche Zahlenwerte nebeneinander, die sofort aus der Auslage genommen werden, bisweilen auch aus der markierten Spalte des Partners. Da jeder Kartenwert negativ zählt, ist das eine richtige Option. Neue Karten werden entweder in die eigene 15er-Auslage gelegt oder abgeworfen, dann muss aber eine verdeckte eigene Karte aufgedreht werden. Beim Austauschen dürfen natürlich hohe offene Karten durch bessere Werte ersetzt werden. So optimiert jeder seinen Karten-Pool.

Die zweite Neuerung bei ALLEGRA ist das Klopfen. Wird von einem Mitspieler eine Karte vom verdeckten Stapel gezogen, darf jeder auf diesen Wert durch Klopfen Interesse anzeigen. Willigt der aktive Spieler ein, wird die erklopfte Karte überlassen. Dafür gibt es eine (häufig lukrative) Karte aus dessen Auslage als Ersatz. Das Klopfen ist zumeist zum Vorteil beider. Wer alle seine Karten abgeworfen oder aufgedeckt hat, beendet die Runde. Er muss in Summe die niedrigste Summe seiner Karten haben, ansonsten erleidet er großen Nachteil. Bisweilen gilt es gut zu überlegen, ob man das Rundenende riskiert, zumal jeder andere noch einen Schluss-Zug hat.

Grafisch gefällt ALLEGRA, weil der Verlag sich bei der Gestaltung auf Farben und Werte beschränkt. Gut überlegt sind die kleinen Werte in roten Farbtönen gestaltet. Wenn es plötzlich in einer Auslage in Rottönen aufflammt, ist das ein Zeichen, dass dieser Spieler wohl bald schlussmachen wird. Leider spielt sich der Ablauf nicht ganz intuitiv, vor allem wenn es um das Ablegen von drei abzuwerfenden Karten geht, denn es hat Relevanz, welche Karte oben auf dem Abwurfstapel liegt. Durch die gemeinsamen Auslagen, das Klopfen und das Fehlen der Memory-Elemente ist ALLEGRA andersartig in diesem Genre.

Duck

DUCK von Johannes Krenner ist für mich das, was im letzten Jahr L.A.M.A. für viele Juroren war, ein Kartenlegen voller Spannung. Nur, DUCK ist anspruchsvoller, und das liegt am raffinierten Spieldesign. Mit 69 Entenkarten geht’s ans Werk. In nur drei Farben sind die Werte „1“ bis „7“ je dreimal vorhanden, und die Extremwerte „0“ und „1“ gibt es zusätzlich noch einmal. Sieben Handkarten werden verteilt. Wer am Zug ist, versucht seine Kartenhand in Anzahl und Wertigkeit zu minimieren. Dazu darf er Karten auf einen eigenen Abwurfstapel legen. Entweder legt er eine Sequenz, also Straße in einer Farbe oder er legt mehrere Karten mit gleichem Wert, wobei die Farbe der Karten egal ist. Das Legen einer Einzelkarte ist auch möglich. Dann muss immer eine Karte nachgezogen werden, entweder vom verdeckten Talon in der Tischmitte oder oben von einem Abwurfstapel eines Nachbarn. Es sei denn, man hat seine Kartenhand leer gespielt. Dann beendet man die Runde als Gewinner.

Es gibt noch eine zweite Möglichkeit, eine Runde zu beenden: das Wegducken. Anstatt Karten abzulegen, beendet man einen Durchgang durch Ansage. Jetzt hofft man, dass man die geringste Wertesumme auf der Hand hält, denn dann gewinnt man auch. Dabei hilft natürlich der Blick auf die Anzahl der Handkarten bei den Mitspielern. Das ist allerdings keine Garantie, da Nuller-Werte im Spiel sind. Außerdem haben die anderen noch einen letzten Zug und können noch einmal gut optimieren. Trotzdem ist das eine häufig genutzte Option, weil sie die Gewinnpunkte steigern kann.

Zunächst einmal bekommt der Sieger einer Runde die oberste Karte eines Gewinnstapels. Hier liegen fünf Karten, die die Spiellänge bestimmen und sich in ihrer Plus-Ausschüttung sukzessive von „6“ bis „10“ steigern. Beim Wegducken darf der Gewinner auch noch von seinen verbliebenen Karten den höchsten Wert einstreichen. Das wird im Regelfall keine hohe Karte sein, denn man hat ja auf eine kleine Summe seiner verbliebenen Handkarten gesetzt. Verliert man das Wegducken allerdings, gibt es Minuspunkte. Hier ist ein schöner Spannungsbogen angelegt: Wann und ob man wegduckt und wie dann das Ergebnis aussieht. Die Punktwertung hat noch mehr Raffinesse. Alle legen ihre Handkarten offen. Der mit der höchsten Summe wirft alle ab und geht leer aus. Die anderen behalten aber ihre höchste Einzelkarte als Gewinn. Da kann man schön spekulieren, wenn die Kartenhand fürs Ausmachen oder Wegducken zu ungeeignet erscheint. Ein hoher Wert spült womöglich noch ordentlich Pluspunkte ins eigene Gewinnkonto. Aber wenn man sich verspekuliert? Hohe Werte bergen stets das Risiko, Letzter einer Wertungsrunde zu werden.

Es gibt noch ein paar Feinheiten, etwa wie eigene Karten auf den Abwurfstapel gelegt werden, denn die Nachbarn dürfen sich hier bedienen. Man kann dabei Vorlagen geben. Durch Vorsehung oder Nachhalten lässt sich etwas gegensteuern. Eine Runde dauert nicht allzu lange, im Durchschnitt kommt jeder fünf bis sieben Mal zum Zug. Da sollte von Anfang an das Optimale herausgeholt werden und gleichzeitig ist bei jeder Entscheidung Spannung im Geschehen. Deshalb sind die insgesamt fünf Runden für ein Komplettspiel gut bemessen. Für mich ist dieses Abwurfspiel eine gute Sache. Einziger Wermutstropfen ist, dass statistisch allzu häufig Vorhand gewinnt. Als Hausregel haben wir eingeführt, dass immer der Punktschlechteste die nächste Runde beginnt.

Die Kartenbilder gefallen. Für jede der drei Farben gibt es eine Quietscheente, deren Aussehen sich bei den einzelnen Kartenwerten nicht verändert. Das braucht es auch gar nicht, denn spielrelevant sind sowieso die Zahlen und Farben, auf die man während des Spielens schaut. Der Titel ist ein schönes Wortspiel. „Duck“, englisch gesprochen, ist natürlich die themengebende Ente und das „Ducken“, deutsch gesprochen, ist eine wichtige Spieloption. Solche Umsetzungen machen ein Spiel rund, mir gefällt so etwas.

The Fox in the Forest

THE FOX IN THE FOREST hat sich Joshua Buergel ausgedacht. Es ist ein Stichspiel für zwei Spieler und ist deshalb schon von gesteigertem Interesse. Es sei vorweg gesagt, dieses Zweier-Karten­stechen ist forderndes Stichspiel.

Insgesamt 33 Karten sind im Deck, je elf in drei verschiedenen Farben. Während die geraden Werte rein abstrakt belassen sind, haben die ungeraden Karten ein Bild und eine Funktion. So ist beispielsweise jede „7“ mit einem Schatz versehen, der dem Gewinner am Ende einen zusätzlichen Punkt einbringt, was die Eroberung dieser Karten wertvoll macht. Es ist also durchaus ein taktisches Zwischenspiel, möglichst viele der 7er-Karten zu erobern. Die „3“, der titelgebende Fuchs, erlaubt es, die ausliegende Trumpffarbe durch eine Handkarte zu ersetzen und so den Trumpf zu ändern oder seine Kartenhand zu verbessern oder gar beides. Neben den normalen Stichspiel-Gegebenheiten sind es diese Sonderregeln, die beachtet und beherrscht werden müssen.

Es gibt noch zwei besondere Regeln. Einerseits werden von den 33 Handkarten nur 26 verteilt, jeder der beiden Kontrahenten erhält 13 auf die Hand. Es ist also immer ein Teil der Karten nicht im Spiel, was etwas, hier nicht übertrieben, Ungewissheit schafft. Andererseits gibt es eine äußerst pfiffige Punktabrechnung. Wer von den 13 Stichen zehn oder mehr bekommt, gilt als zu gierig und bekommt 0 Punkte. Der andere hat dann für sich gut und optimal gespielt und bekommt satte 6 Punkte gutgeschrieben. Dieses Optimum von 6 Punkten bekommt auch ein Spieler mit sieben bis neun Stichen. Wer darauf aus ist, begibt sich nahe an die Grenze von zehn Stichen, was ihn auf 0 Gewinnpunkte abfallen lässt. Jeder, der Stichspiele kennt, weiß, dass solche Situationen vom Gegner gut gesteuert werden können, wenn gerade zum Ende einer Runde die eine oder andere Kartenfarbe blank gespielt ist und man elegant abwerfen und somit seinen Kontrahenten bei der Anzahl der Stiche ins Nirwana treiben kann. Das passiert immer wieder, sehr zur Freude des Nutznießers.

Die grafische Gestaltung, die Karten in abstrakte und konkrete Bilder aufzuteilen, gefällt mir hier sehr, signalisieren doch Motive wie beispielsweise Bube, Dame und König beim Pokerblatt, dass sie besondere Kartenwerte sind. Die Funktionen der Karten hat man schnell gelernt, die englischen Texte sind wirklich einfach zu verstehen. Eine Referenz-Karte verhilft dem Anfänger auch einen Überblick aller Funktionen zu bewahren. Das ist alles schon sehr gelungen und von mir eine Empfehlung für alle Stichspiel-Fans, gerade wenn sie einmal nur zu zweit sind.

Ramen Ink

RAMEN INK von Daryl Chow ist nur bedingt ein Kartenspiel. Es gehört zu den gerade so angesagten „Roll & Write“, „Flip & Write“, etc. -Spielen. Hier werden nun Spielkarten geflippt, also aufgedeckt und die Spielrunde bedient sich an der offenen Auslage. Thematisch geht es darum, dass in einer asiatischen Garküche serviert wird und jeder Gast in seine Nudelsuppe (japanisch „Ramen“) ganz bestimmte Zutaten wie Seetang, Fischpaste, Ei oder Schweinefleisch serviert bekommen möchte.

Acht Karten als Gästewünsche liegen in einem Kreis aus. Die Plätze sind durchnummeriert und in dieser Reihenfolge werden die erfüllten Wünsche abgehandelt. Dabei ist Teller 1 schon nach drei Runden in der Wertung und es geht in hoher Taktzahl weiter. Schon nach sechsmaligem Aufdecken der Zutatenkarten wollen alle acht Gäste bedient sein. Das gelingt natürlich nicht, weshalb kalkulierte Abstriche beim Servieren gemacht werden müssen. Schnell will man aber auch sein, denn für volle Suppenschüssel gibt es Boni. Und die unterschiedlichen Wünsche, die nach Anspruch verschieden bewertet werden, gilt es ebenfalls im Blick zu behalten.

Das Spielgeschehen wird durch runde Karten gesteuert, die gemäß des Themas Suppenschüsseln und Beilagenteller darstellen. Auf dem Wertungsbogen werden die ausgewählten Zutaten konkret eingezeichnet. Das gibt dem Spiel thematische Dichte. Auch wegen dieses exotischen Themas ist das Kartenflippen und Symbolezeichnen erwähnenswert. Bei den gerade aktuellen XYZ & Write-Spielen gehört es sicherlich zu den interessanteren.

3 Kurzvorstellungen

PIC FLIP ist ein schnelles Kartenablegen mit pfiffiger Idee. Auf 110 Karten sind jeweils zwei allgemein bekannte Symbolbilder wie Hund, Filmrolle, Socken, etc. abgebildet. Ein Motiv steht oben, das andere unten. Alle Karten werden an die Mitspieler verteilt. Jeder nimmt seine Karten als Päckchen in die Hand, eine Abdeckkarte kommt oben drauf. Als Startkarte legt der Jüngste eine in die Mitte und nennt zu einem Motiv eine Vorgabe, z.B. zu „Auto“ verlangt der Spieler „Räder“. Jetzt suchen alle in ihrem Stapel nach einer passenden Antwortkarte. Clou aber ist es, dass das eigene Deck wie ein Daumenkino durchgeblättert werden muss, um ein passendes Motiv zu finden. Die gelegte Karte ist Vorgabe für die nächste Runde. Alle Karten loszuwerden ist das Ziel. Die Idee mit dem Daumenkino ist der Spielreiz und auch eine motorische Herausforderung, sicherlich eher für Jung als für Alt.

BANDIDO von Martin Nedergaard Anderson haben wir in dieser Rubrik in FAIRPLAY 126 vorgestellt. Jetzt legen Autor und Verlag mit BANDIDA nach. Wieder gilt es in kooperativer Manier einem Gefangenen, diesmal einer Bandida, den Ausbruch aus dem Knast zu verhindern. Die Wegekärtchen müssen so gelegt werden, dass alle Fluchtmöglichkeiten in Sackgassen enden. Das war gut und bleibt gut. Neu sind jetzt Objekt- und Alarmkarten, die das Geschehen erschweren oder erleichtern. Hierdurch kommt etwas Taktik ins Spiel. Wer beide Spiele besitzt, kann beide Gefangenen-Karten nutzen und so Bandido und Bandida zusammenführen und zum Ausbruch verhelfen, indem sie zur einzigen Leiter im dunklen Labyrinth geführt werden. Mir gefällt das Spiel immer noch, vor allem, weil neben der logistischen Herausforderung optisch jedes Mal ein anderes Gängesystem entsteht.

L.A.M.A. hatten wir in FAIRPLAY 129 besprochen. Ich war im Vergleich zu manch anderen kein großer Fan von diesem schnellen Kartenlegen. Wegen der Jury-Belobigungen und wohl auch wegen guter Verkaufszahlen wird jetzt L.A.M.A. PARTY EDITION, natürlich ebenfalls von Reiner Knizia, nachgeschoben. Ergänzt wird der schnelle Legerhythmus jetzt durch Plus-Karten, die den aktiven Spieler noch einmal spielen lassen. Ein einzelnes pinkfarbiges Party-Lama mit Hütchen und Lufttröte darf immer gelegt werden. Und pinke Punktechips mit den Wert 20 können kräftig die Reihenfolge durcheinanderwirbeln, wenn ein Spieler statt einem weißen 1er- oder schwarzen 10er- gleich den pinken 20-Punkte-Minuschip abgibt. Diese Party Edition ist noch ein bisschen mehr Holterdiepolter.

Peter Neugebauer

Bella Lucca: ALLEGRA für 2 – 6 Personen mit Illustration von Johann Rüttinger bei Drei Hasen in der Abendsonne 2020, Spieldauer 30 – 40 Minuten

Martin Nedergaard Andersen: BANDIDA für 1 – 4 Personen mit Illustration von Odile Sageat bei Helvetiq 2020, Spieldauer 15 Minuten

Johannes Krenner: DUCK für 3 – 5 Personen mit Illustration von Christian Fiore und Fiore GmbH bei HUCH! 2020, Spieldauer 15 Minuten

Reiner Knizia: L.A.M.A. PARTY EDITION für 2 – 6 Personen mit Illustration von Rey Sommerkamp und Barbara Spelger bei AMIGO 2020, Spieldauer 20 Minuten

keine Angabe: PIC FLIP für 2 – 6 Personen bei Mattel 2020, Spieldauer 15 – 20 Minuten

Daryl Chow: RAMEN INK für 2 – 5 Personen mit Illustration von Markus Erdt bei Jumbo 2020, Spieldauer 15 – 20 Minuten

Joshua Buergel: THE FOX IN THE FOREST für 2 Personen mit Illustration von Jennifer L. Meyer bei Foxtrot Games und Renegade Game Studios 2020, Spieldauer 30 Minuten

Dieser Text erschien in der 133. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 24 Euro im Jahr.