Fairplay 141 – Rezension: Zoo Break

Alexa Forrester und Chris Guenther: ZOO BREAK für 2 – 5 Personen ab 8 Jahren mit Illustration von Thomas James bei Sunday Club Games 2019, Spieldauer 30 – 45 Minuten

Wenn Schlangen mit Elefanten Schlange stehen

Mal angenommen, Sie sind Tierpfleger in einem Zoo. Ihre Schicht ist vorbei, Sie spielen daheim gerade eine Partie ARCHE NOVA, da klingelt das Telefon: „Arne, komm schnell vorbei! Die elektrische Schließanlage hat einen Defekt und es stromern schon die ersten Tiger, Elefanten und Schlangen durch den Zoo. Nicht auszudenken, was passiert, wenn davon welche ausbrechen und in die Stadt entwischen. Dann können wir einpacken. Lass alles stehen und liegen und komm zum Zoo!“

Bald darauf finden sich zwei bis fünf diensthabende Tierpfleger am Zooeingang wieder, mit dem gemeinsamen Ziel, alle Tiere in ihre jeweiligen Gehege zu bringen und diese manuell zu verschließen. Das wird gar nicht so einfach, da nach jedem Zug neue Tiere aus ihren Gehegen entwischen und sich zu allem Überdruss noch welche bewegen. Haben wir Pech, wandern alle mal eben zwei Felder weit Richtung Ausgang. Wir wollen sie zumindest daran hindern, wofür der aktiven Tierpflegerin eine per Würfelwurf bestimmt Anzahl Aktionspunkte zur Verfügung steht. Im ungünstigsten Fall gerade einmal fünf, im besten Fall ganze zehn. Jetzt könnte argumentiert werden, dass variable Aktionspunkte etwas altmodisch sind. Hier passen sie erstaunlich gut zum Spannungsbogen, eben weil wir uns nicht auf eine feste Anzahl verlassen können. Hin und her müssen wir uns auch bewegen. Zu den Tieren, zum Geräteschuppen oder zum Kiosk. Pro Feld ein Aktionspunkt, ebenso Ausrüstung aufnehmen oder austauschen. Das Einfangen von Tieren kostet je nach Größe schon mal bis zu drei Aktionen – ein Elefant ist halt schwieriger zu fangen als ein Erdmännchen. Bei Schlangen und Tigern ist dieser Prozess sogar zweistufig. Schlangen muss ich erst einmal aufdecken und auf ihre Gefährlichkeit hin untersuchen. Tiger müssen erst betäubt werden, bevor sie in ihr Gehege transportiert werden können. Da sind pro Tiger schnell mal fünf Aktionen durch. Vorausgesetzt ich habe überhaupt Betäubungspfeile und die Trage dabei.

Kleintiere benötigen glücklicherweise nur ein Netz, die größeren ein Seil. Für Schlangen benötige ich die Schlangenzange und zusätzlich wäre eine Flasche Gegengift nicht verkehrt. Die Crux ist, dass mein Charakter maximal vier Gegenstände tragen kann. Somit gilt es, sich abzusprechen und zu spezialisieren. Zumal es auch Schlüssel braucht, um ein Gehege sicher zu versperren. Wieso gibt es eigentlich keinen Generalschlüssel?

Die Ausrüstung suche ich mir im Geräteschuppen zusammen – anfangs nicht zielgerichtet, sondern durch zufälliges Aufdecken einer Karte pro Aktion. Die sich bildende offene Auslage nicht genommener Karten, lässt es im Spielverlauf jedoch planbarer werden. Da wir ohne jegliche Ausrüstung beginnen, geht der erste Zug eines jeden Tierpflegers zwingend in den Geräteschuppen.

Zu lange sollte man dort jedoch nicht Aktionen ver(sch)wenden, da dies den Tieren Zeit zum Ausbruch und zur Bewegung Richtung Ausgang gibt. Da bilden sich schnell größere Gruppen. Das kann neu ausbrechenden Tieren verhelfen, flott zum Ausgang zu gelangen, da sie sich immer das erste freie Feld aussuchen. Gerade die Schwarmtiere können hier Kopfzerbrechen bereiten. Vor allem die Schlangen. Da kann ´ne fette Giftschlange unter einer Scheibe sein, die uns bei ihrem Ausbruch aus dem Zoo direkt das Spiel verlieren lässt (ebenso wie ein Tiger oder Elefant). Es kann sich aber auch um eine Täuschung handeln, und wir haben noch einmal Glück. Sollte nicht zu häufig drauf spekuliert werden, muss aber ab und an sein. Die anderen Tiere kommen als schöne Holzfiguren daher, was dem Spiel im Ganzen einen tollen Aufforderungscharakter gibt.

Vieles erinnert vom Ablauf an PANDEMIE: Die sich aufbauenden Bedrohungen, die sich gegenseitig verstärken können, dazu Charaktere mit individuellen Eigenschaften. Da werde ich evtl. nicht von den gefährlichen Tieren verletzt und muss dann auch keine Runde in der Krankenstation aussetzen. Oder ich habe kürzere Wege, weil ich durch Grünflächen ziehen kann, wohingegen eine andere Rolle mir zwei Schritte pro Aktionspunkt erlaubt. Das alles fügt sich zu einem spannenden Spiel zusammen, zumal das Deck mit den Bewegungskarten der Tiere so einige zusätzliche Überraschungen bietet. Zu blöd, wenn sich auf einmal ein einsamer Panda an den Zoowärter direkt vorm Ausgang klammert. Oder wenn die Elefanten, die gerade noch am Gehege im hinteren Eck waren, zum Kiosk stürmen, um dort Erdnüsse zu futtern. Das bringt nicht nur Comic Relief, es kann uns, je nach Lage auf dem Plan, in die Karten spielen oder die Kacke noch mal richtig zum Dampfen bringen.

Cleveres Stellungsspiel, Koordination von Aktionen und Ausrüstung sind hier wichtig, um alle Tiere einer Art einzufangen und die Gehege abzusperren. Wie oft brach genau dann die Rasse wieder aus, von der wir gerade das letzte Tier eingefangen hatten. Oder es stürmen genau die Tiere zum Ausgang, die ihm eh schon am nächsten sind. Von den ungefährlichen dürfen zwar ein paar mehr ausbrechen, doch verlieren wir spätestens beim vierten ausgebrochenen Tier. Da hilft es, dass jedes abgeschlossene Gehege Erleichterung bringt, da diese Tierart nicht mehr ausbrechen kann. Das sorgt in der Regel auch dafür, dass die ersten drei Viertel des Spiels am spannendsten sind. Sind die meisten Gehege geschlossen, kann man nur noch schwer verlieren.

Das kann sich zum Ende hin, da für den Sieg alle Gehege abzuschließen sind, antiklimatisch anfühlen. Störte uns selten, denn davor kamen wir meist gut ins Schwitzen, und die Partien standen häufig auf Messers Schneide. Nicht wenige gingen auch verloren. An dieser Stelle merkt man den Kickstarter ohne redaktionelle Betreuung. Es fehlt eine weitere Bedrohungsebene, die andere Spiele z.B. mit dem Durchspielen eines Kartenstapels erzielen. Dafür motiviert es schon unsere 4- und 6-jährigen Kinder zum Mitmachen. Bei jeder Ausbruch- und Bewegungskarte wird mitgefiebert, welche Tiere da jetzt gezogen werden. Im Spiel in der Familie und mit Kindern sehe ich die Stärke von ZOO BREAK, wobei wir auch in Runden von Expertenspielern viel Spaß hatten. Die englischen Regeln und Karten sind einfach zu verstehen, auch durch deren Symbolik. Eine redaktionelle Bearbeitung hätte eine Sprachneutralität sogar für alle Karten und Eigenschaften der Tierpfleger erreichen können. Ist auch nur ein geringer Malus, da alles sehr eingängig ist und sich gut merken lässt.

ZOO BREAK ist unabhängig von der Anzahl der Mitspieler herausfordernd, wobei ich zu Partien zu fünft keine Auskunft geben kann. Tendenziell ist es mit weniger Spielern herausfordernder, ohne bei mehr Spielern leicht zu werden. Zumal der Schwierigkeitsgrad über die Ausbruchs- und Bewegungskarten angepasst werden kann. Ebenso gibt es Varianten im Netz, die eine andere Anordnung der Gehege vorsehen. Tiger oder Schlangen in den Gehegen nahe beim Ausgang lassen das Adrenalin gleich noch einmal höherschlagen.

Schon 2019 erschienen, doch als kleiner Kickstarter und durch Pandemie und Brexit leicht zu übersehen, ist ZOO BREAK in Europa leider kaum verfügbar. Mittlerweile hat der Autor jedoch einen Weg gefunden, Spiele nach Deutschland zu verkaufen. ZOO BREAK ist zwar kein neues PANDEMIE, doch ist immer noch ausreichend Pandemie im richtigen Leben vorhanden, so dass es im Spiel gerne ausbrechende Tiere statt Seuchen sein dürfen.

Arne Hoffmann

Alexa Forrester und Chris Guenther: ZOO BREAK für 2 – 5 Personen ab 8 Jahren mit Illustration von Thomas James bei Sunday Club Games 2019, Spieldauer 30 – 45 Minuten

Dieser Text erschien in der 141. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit: Abonnieren Sie das gedruckte Magazin oder bestellen Sie das einzelne Heft.