Fairplay 131 – Rezension: Tiny Towns

Tiny Towns, deutsche Ausgabe 2019

Tiny Towns

Frosch und Maus sind in da house

Hinter den sieben Bergen leben offenbar nicht nur Zwerge, sondern auch eine Horde von Igeln, Fröschen und ein paar anderen kleinen Tieren. Dort leben sie friedlich in ihren kleinen Städten, weit weg von jeglichem Raubgetier. Moment, essen Igel und Frösche nicht auch am liebsten kleine Tiere?

Na, über hanebüchene Hintergrundgeschichten und Titel blicken wir ja schon lange professionell hinweg, gerade wenn sie so lieblich illustriert sind wie in TINY TOWNS: Wohin man blickt, nichts als (klein)städtische Idylle. Komisch, dass der Auftrag lautet, dass wir noch eine Stadt bauen sollen. Und zwar alle für sich!

Dazu bekommen wir je ein 4 × 4 großes Areal, dessen Felder sich im Laufe der Zeit mit einem der Rohstoffe Holz, Weizen, Ziegel, Glas und Stein füllen. Sobald sich dabei eines von 7 vorausgewählten Grundrissen (Mustern) ergibt, werden die Rohstoffwürfel des Musters abgeräumt und auf einem der nun freien Felder das entsprechende Gebäude platziert.

Ich muss vierdimensional zu denken

Hört sich jetzt vielleicht wie TETRIS in Zeitlupentempo an, aber das wäre ein allzu böser Vergleich. TAKE IT EASY ist da schon sehr viel passender, wenngleich mit dem Unterschied, dass bei TINY TOWNS jede Runde eine Rohstoffart angesagt wird, die jeder/jede Spielerin in seiner/ihrer Stadt platzieren muss. Wenn es ein passender Rohstoff ist, Juchhe!! Aber wenn ich ein Glas legen muss, das gar nicht zu meinem avisierten Muster passt, bin ich trotzdem gezwungen, dafür einen Platz zu finden. Doch nicht nur diese Zwänge sind reizvoll. Nein, ich muss mir auch angewöhnen, vierdimensional zu denken. Damit hab ich noch echte Probleme. Denn wenn mein Muster gleich vollendet sein wird, steht auf einem dieser Felder ein Gebäude, das mir den Platz für meine anderen Muster rauben wird.

Auf einem nur 4 × 4 Felder großen Grundstück ergeben sich damit knifflige Überlegungen, die trotzdem nicht zu langen Wartezeiten führen. Wir spielen ja alle gleichzeitig.

Früher oder später wird jedem/jeder Spielerin der Platz ausgehen, und dann wird gewertet. Jedes der Muster hat dabei ganz eigene Regeln und ist oft abhängig vom Bau anderer Muster.

Natürlich bleibt bei Exemplaren dieser Spielefamilie die Interaktion ein wenig auf der Strecke. Auch in TINY TOWNS ist das nicht anders: Mit den anderen Spielerinnen interagiere ich nur über das Ansagen des nächsten Rohstoffs. Anders als im englischen Original hat sich Pegasus in der deutschen Ausgabe für die interaktionsärmste von drei Varianten entschieden. Dabei wird von einem (nahezu) gleich verteilten Kartenstapel zweimal hintereinander ein Rohstoff aufgedeckt, während in jeder dritten Runde jeder für sich wählen kann. TINY TOWNS‘ Zielgruppe seien Familien und diese Variante entspräche deren Vorlieben am besten, so der Verlag. Das stimmt auch uneingeschränkt. Denn egal, ob zu zweit oder zu sechst oder ob mit den Kindern oder der Oma, das Spiel funktioniert so einwandfrei, und jeder kann das topologische Knobeln genießen.

Bildnachweis:Nadine Wohlfart, Pegasus Spiele

Meine Mitspielerinnen mit Rohstoffen überschwemmen

Für mich aber schmeckt diese Variante wie alter Zwieback. Im englischen Original ist jeder reihum einmal Bürgermeisterin und bestimmt für alle den Rohstoff der Runde. Zu dritt oder zu viert wird es jetzt erst richtig interessant. Schwimme ich mit den anderen mit und baue dieselben Gebäude? Oder entscheide ich mich für Musterkombinationen, die einen etwas anderen Schwerpunkt bei der Rohstoffauswahl legen? Denn dann überschwemme ich meine Mitspielerinnen mit Rohstoffen, die sie eigentlich nicht gebrauchen können. Und bestimmt verzettele mich doch wieder dabei und baue auch nach vielen, vielen Partien Gebäude auf Feldern, die besser frei geblieben wären. Natürlich sehr zur Schadenfreude der anderen.

Allerdings hakt es nun gelegentlich im Spiel zu fünft und sechst, da ich im Vergleich weniger häufig selbst bestimmen kann. Am besten kombiniert man dann die Originalvariante damit, dass jeder/jede Spielerin bis zu zweimal im Spiel auf das Platzieren eines Rohstoffs verzichten darf.

Da vor jeder Partie eine der 4096 Kombinationen von 7 Mustern und zusätzlich für jede/n Spieler*in ein persönliches und einmaliges Denkmal(muster) ausgelost wird,
bleibt für mich TINY TOWNS abwechslungsreich und empfehlenswert, interessant, zumal im Sommer die Erweiterung auch endlich auf Deutsch erscheinen soll.

Marcus Eibrink-Lunzenauer

Peter McPherson: TINY TOWNS für 1 bis 6 Personen mit Illustration von Gong Studios und Matt Paquette bei Pegasus 2019, Spieldauer 25 – 45 Minuten, Made in China

hb: Finde ich in seiner ganzen Tetris-Haftigkeit langweilig!
wf: Überraschung! Ich gewinne, obwohl ich planlos spiele.

Die „gelben Zettel“ mit den Meinungen der anderen Rezensent:innen.

Dieser Text erschien in der 131. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit: Abonnieren Sie das gedruckte Magazin oder bestellen Sie das einzelne Heft.