Fairplay 103 – Rezension: Hanabi

Die hohe Kunst des Nicht-Kommunizerens

Hanabi, erste deutsche Auflage

HANABI ist japanisch und heißt „Feuerblume“ oder „Feuerwerk“, was an die Silvesternacht oder einen Polterabend erinnert. Das sind Einmaligkeiten im Jahr oder vielleicht sogar im Leben. Deshalb eher nichts für den Spieltisch, oder doch? Zumindest ist dieses Thema bisher noch nicht spielerisch umgesetzt worden. Schon allein das erheischt heutzutage Aufmerksamkeit, da doch viele Themen (Mittelalter, Karibik- oder Pazifik-Inseln, etc.) immer und immer wieder verwurstet werden. Dann ist dieses Spiel ein reines Kartenspiel, noch dazu ein kooperatives. Koop-Karteln gab es auch noch nicht. Es steckt also viel Innovation in der kleinen Schachtel, die auf den letzten Essener Spiel-Tagen veröffentlicht wurde und seitdem viele Kritikerherzen hochgradig erfreut. So haben beispielsweise allseits geschätzte Kritikerkollegen dieses Kartenlegen mit Höchst-Bewertungen bedacht. Eine Beschäftigung, ein Spielen, ein Sich-Verlieben in dieses spielerische Kleinod scheint angesagt.

50 Spielkarten und elf kleine runde Pappplättchen gehören zum Spiel. Die Karten sind in fünf Farben eingeteilt, die von 1 bis 5 nummeriert sind, dabei gibt es den Wert 1 dreimal, die Zahlen 2, 3 und 4 je zweimal und die höchste Karte 5 lediglich einmal im Talon. Als Bilder sieht man in der jeweiligen Farbe Feuerblumen am Nachthimmel. Da in der Tischmitte Farbkolonnen ausgespielt werden müssen, entsteht dort optisch das titelgebende Feuerwerk, wie es auch die Schachtelgrafik ziert.

Ziel der gemeinsam agierenden Spielergruppe ist es nun, in allen fünf Farben eine Kartenreihe von 1 aufsteigend zur 5 auszulegen. Erreicht man das, bekommt man pro ausgespielter Karte einen Punkt, was bei optimaler Lösung 25 ergibt, ein (regelkonform gespielt!) fast nicht zu erreichendes Ergebnis. Unser bestes Resultat war (streng nach Anleitung gespielt!) bisher 19, was die Spielregel mit gut, aber nicht sehr gut oder gar legendär qualifiziert.

Nun beginnt der Spaß. Vom gut gemischten Kartenstapel erhält je nach Teilnehmerzahl jeder vier oder fünf Karten zugeteilt. Acht Hinweis-Plättchen und drei Gewitter-Chips kommen auf den Tisch und schon beginnt das Abbrennen des Feuerwerks, und der erste Clou steht auf der Agenda. Die zugeteilten Karten steckt jeder so auf seine Hand, dass nur die Mitspieler und nicht der Spieler selber Einblick in seine Karte hat. Das ist sehr ungewöhnlich. Man sieht also die Kartenhände der anderen und hat von seinen Karten zunächst keinen blassen Schimmer. Das wird sich aber und muss sich auch ändern. Als Spielzug gilt, einem Mitspieler Hinweise über seine Kartenhand zu geben. Man nennt ihm eine Farbe oder einen Zahlenwert und zeigt ihm durch Antippen, welche seiner Karten der Ansage entsprechen. Da alle Auslagen mit einer 1 beginnen, sind diese Hinweise also die ersten, die man hört. Schnell liegt eine erste 1 auf dem Tisch und schon beginnt das Verquere. Der nächste Spieler weiß nun nicht mehr zu 100 %, ob auch seine 1, die ihm angesagt wurde, auf den Tisch passt, denn sie könnte sich farblich doppeln (jede Farb-1 ist dreimal im Spiel!). Er benötigt also einen zweiten Hinweis, bezogen auf die Farbe, wenn er keinen Fehler machen möchte. Nach jedem Hinweis wird eines der acht Plättchen gewendet und schon bald können keine Tipps mehr gegeben werden. Deshalb gibt es eine zweite Spieloption, die die Chips wieder umdrehen und weitere Hinweise erlaubt. Der Spieler am Zug kündigt an, eine Karte abzuwerfen und dafür eine neue zu ziehen. Hier ergeben sich im Verlauf des Spiels Kenntnisse, die ein sicheres Abwerfen erlauben. Eine weiße 2 liegt schon in der Tischauslage, man selber weiß, dass man die andere weiße 2 auf der Hand hält, dann wird diese problemfrei abgeworfen und die Spielergruppe hat ein Hinweis-Plättchen zurück! Häufig sind die Kenntnisse über die eigene Kartenhand nicht so treffsicher und man muss Spekulieren. Dann werden Karten zufällig weggelegt oder kalkuliert geopfert, quasi nach dem Muster, dass man die einzige 5 einer Farbreihe wegwirft, da man (wahrscheinlich sogar berechtigt) vermutet, dass diese Reihe gar nicht bis zur 5 anwachsen wird. Immer erhält die Spielrunde einen Hinweis-Chip zurück.

Als dritte Spielmöglichkeit ist das Ausspielen einer Handkarte in die Tischmitte erlaubt, um am Feuerwerk zu basteln. Hier gibt es die strenge Vorgabe, dass nur Karten angelegt werden dürfen, die korrekt in eine der fünf Farbkolonnen passen. Macht man hier einen Fehler, hat das fatale Folgen, denn eines der drei wenigen Gewitter-Plättchen wird gewendet und wenn dreimal Blitze durch den Nachthimmel zucken, ist das Spiel vorzeitig mit dem Ergebnis 0 Punkte beendet. Das will keiner!

Natürlich sind die ausgesprochenen Hinweise der erste Zugriff, um Informationen über seine Kartenhand zu erhalten. Hier helfen präzise Ansagen. Aber auch indirekte Angaben dürfen und sollten ins Kalkül gezogen werden. Es hilft z.B. zu wissen, welche Karten gar nicht auf der eigenen Hand stecken können, weil sich diese auf den Mitspielerhänden oder im Abwurfstapel befinden. Der Abwurfstapel darf jederzeit überprüft werden, weshalb wir ihn immer als Kolonne auslegen, so dass man stets Einblick auf alle abgeworfenen Karten hat. Eine weitere erlaubte Hilfe ist es, seine Karten (ohne sie sich natürlich anzusehen) umzustecken. So darf man Reihenfolgen arrangieren, die das Memorieren entlasten. Da die Kartenrückseiten gemustert sind, kann man auch das Auf-den-Kopf-Drehen einzelner Karten als Hinweisgebung nutzen. Trotzdem, das Spiel ist eine logistische Aufgabe!

Es gilt nicht nur, die erhaltenen Informationen genau zu entschlüsseln, sondern auch beim Geben eigener Hinweise darauf zu achten, wem man am besten helfen kann, aber auch, in welcher Reihenfolge welche Hinweise brauchbarer sind. Da macht man am Anfang Fehler, die aber schon bald vermieden werden und so lassen sich Punktergebnisse steigern. Das alles benötigt (Bedenk-)Zeit. Diese wird zwar mit Spielerfahrung minimiert, die auf der Schachtel angegebenen 30 Minuten sind aber eher optimistisch formuliert. Auch ist die Altersangabe „ab 8 Jahren“ sicher nicht verkehrt, suggeriert aber ein schnelles, einfaches Familien-Kartenspiel. Das ist HANABI aber sicher nicht!

Was nicht erlaubt ist und unterbunden werden sollte, ist, dass indirekte Hinweise getauscht werden. So wird immer wieder versucht, durch überlaute Betonung beim Hinweisgeben zu suggerieren, dass doch gerade die genannte 2 in die Auslage und nicht auf den Abwurfstapel gehört. Ich will gerne zugestehen, dass man dazu leicht verführt wird, aber man betrügt sich selbst und nimmt sich eine gehörige Portion des Spielspaßes. Die Spielregel formuliert dazu, dass jede Runde ihren eigenen Weg finden sollte, da es eigentlich keine Nicht-Kommunikation gibt. Jede Gruppe muss wissen, wie sie damit umgeht, denn der Spielspaß sollte nicht unterbunden werden. Ich persönlich favorisiere eine möglichst strenge Regelauslegung.

Was fast unvermeidbar ist, ist, dass manchmal Karten in gewohnter Manier gezogen werden, dass man sie „normal“ auf die Hand steckt. Auch hier muss man sich stark selbst disziplinieren. Es hilft, wenn ein Mitspieler Nachziehkarten dem aktiven Spieler richtig gedreht auf die Hand steckt. Auch neigen Spieler dazu, ihre Kartenhände gewohnt weit vor dem Körper zu halten. Dann haben nicht alle Mitspieler einen guten Einblick in die Kartenhände. Der sollte aber gewährt werden. Man muss die Mitspieler immer wieder dazu auffordern, ihre Karten dicht bei sich zu halten. Schließlich kommt es gelegentlich vor, dass man vielleicht mal auf die Uhr schauen möchte (obwohl das bei diesem kurzweiligen Spiel gar nicht passieren sollte), dann dreht man seine Kartenhand und offenbart sich ungewollt Einblick in die eigenen Karten. Man muss schon eine gehörige Portion Selbstdisziplin mitbringen, um hierbei nicht in die kleinen Fallen des Alltäglichen und Gewohnten zu tappen!

Das ganze Geschehen ist anspruchsvoll, äußerst reizvoll und natürlich recht ungewöhnlich. Allerdings gibt es auch Vorgänger, die an diese spielerische Aufgabe erinnern. Da sind die Spiele mit Stirnband zu nennen. Jeder bekommt ins eigene Stirnband, also auf den Kopf, Karten mit Buchstaben, Zahlen oder Begriffen gesteckt (man sieht also nicht, was man da zugeteilt bekommen hat) und muss durch die Informationen der anderen Schlüsse ziehen. AMNESIA von Parker, POW WOW von Ravensburger und auch das geniale (schon 40 Jahre alte) EGGHEAD von ASS (das es dann noch einmal als CODE 777 ohne Stirnband bei Jumbo gab) sind da zu nennen. Erinnert sei auch noch an die Kartenspiel-Sammlung INDISCRETION von Piatnik mit dem Stich-Spiel HALBE-HALBE, bei dem die Hälfte der Handkarten mit der Bild-Seite zu den Mitspielern zeigend aufgenommen wurde. So sensationell revolutionär ist HANABI mit seinem Karten-Halten dann doch nicht!
Mein Fazit lautet, dass HANABI eine Herausforderung für anspruchsvolle Spieler mit einem hohen Grad an Selbstdisziplin darstellt, will man die Tiefen der Spielidee in vollen Zügen ausloten. Mir gefällt es sehr!!!

Peter Neugebauer

Antoine Bauza: HANABI für 2 – 5 Personen ab 8 Jahren mit Illustration von Antoine Bauza, Gérald Guerlais, Albertine Ralenti bei ABACUSSPIELE 2012, Spieldauer 25 Minuten

Drei Fragen an Joe Nikisch:

Fairplay: Wie bist du auf HANABI aufmerksam geworden?

Joe Nikisch: Matthias Wagner betreut unsere Redaktion seit gut zweieinhalb Jahren. Im Rahmen dieser Tätigkeit besucht er seither auch Spieleveranstaltungen im In- und Ausland. Bei Bruno Faiduttis jährlichen Treffen in Frankreich hat er Hanabi kennengelernt und beschlossen, dass wir es uns einmal genauer anschauen sollten.

FP: Wann hast du erspürt, dass in HANABI etwas Besonderes steckt?

JN: Gleich als wir HANABI zum ersten mal spielten. Obwohl die Vorraussetzungen denkbar schlecht waren. Es war ein schon zeitlich fortgeschrittener Spieleabend, und dann wollten wir noch ein kooperatives und deduktives Kartenspiel testen. Unsere erste Partie dauerte fast eine halbe Stunde, und wir haben von der ersten bis zur letzten Minute durchgehend geredet. Es folgte am gleichen Abend noch eine zweite und dritte Partie, weil wir alles anders und besser machen wollten. Das ist bis heute so geblieben. HANABI hat einfach den „Kick“, es ist kooperativ, innovativ und kommunikativ.

FP: Von der Kritik wird das Spiel seit erscheinen hoch gelobt. Sind solche Spiele, ist HANABI auch ein Verkaufserfolg?

JN: Die Faszination, die von dem Spiel ausgeht, haben nicht nur wir so empfunden. Schon auf der Spiel in Essen konnten wir ein extrem starkes Interesse feststellen, es wurde durchgehend gespielt. Innerhalb von 2 Monaten nach der Messe sind mehr als 10.000 Exemplare verkauft und das Interesse lässt nicht nach. HANABI hat mit den verkehrt herum in der Hand gehaltenen Karten einen extrem hohen Aufforderungscharakter und überspringt damit locker jede Einstiegshürde. Wir freuen uns auf jeden Fall sehr über jedes Lob von HANABI.