Fairplay 140 – Rezension: Top Ten

Rettet jede Silvesterparty

„Auf einer Skala von eins bis zehn – wie flüchtest du vor einem T-Rex: von ‚Nützt nix‘ bis ‚Super Idee‘?“
„Mit dem Bobbycar meiner Schwester.“
„Mit dem kaputten Fiat Panda meiner Oma.“
„Mit dem Hubschrauber.“
„Schatz, dieses Spiel müssen wir unbedingt auch haben.“
So die Ansage meiner Schülerin an ihren Freund, als ich endlich einmal Gelegenheit habe, TOP TEN in großer Runde ausgiebig zu testen.

Wir kennen alle die berühmte Skala von eins bis zehn – dieses Spiel perfektioniert sie.
Es gibt 500 verrückte Themen, z.B. „Dein Schatz schnarcht. Was machst du dagegen? Von sanft bis brutal.“
Reihum ziehen alle eine Karte mit einer Zahl zwischen 1 und 10. Sie müssen sich jetzt eine Antwort überlegen, von der sie meinen, dass sie zu der gezogenen Zahl passt. Bei einer 1 würden Sie vielleicht „Ich drehe mich um“ sagen, bei einer 10 „Ich schlage ihn K.O.“ Tricky wird es, wenn sie eine mittlere Zahl erwischt haben, z.B. die 6. Vielleicht ein Schnarchband kaufen.

Eine Person in der Runde ist der Kapitän und muss, nachdem alle eine Antwort gegeben haben entscheiden: Wer hat eine niedrige, wer eine hohe Zahl? Und da wir kooperativ spielen, sollten wir es demjenigen nicht allzu schwer machen. Doch das ist leichter gesagt, als getan. Einmal hatten wir die Frage, was der Papst nach seiner Rente macht: von absolut vorstellbar bis völlig undenkbar. Ich ziehe die 10 und weiß sofort eine Antwort. Bis mein Nachbar sagt: „Einen Puff betreiben.“ Mist, der hat dann wohl die 9. Was jetzt?

Selten hat ein Partyspiel für so große Runden direkt in eigentlich jeder Gruppe gezündet. So viel Spaß, so viel Lachen war selten am Tisch. Auch wenn einige der Fragen dann für mich doch die Schmerzgrenze überschreiten. Z.B. „Mach nach, wie du auf dem Klo sitzt und drückst, von ganz leicht bis Verstopfung.“ Wer wie ich erst kürzlich versucht hat, mit einem eingegipsten Bein auf der Toilette zu sitzen, findet das gar nicht witzig.
Und so viel Spaß wir mit den Themen und den Antworten auch hatten, kann ich über TOP TEN nicht uneingeschränkt jubeln. Irgendwie passt mir dieser Ratemechanismus nicht ganz. Manchmal ist es einfach nur Glück, die richtige Reihenfolge zu raten. Aber gerade bei den mittleren Zahlen habe ich oft gar keine Chance zu erraten, ob jetzt das Schnarchband oder die Watte in den Ohren zuerst kommt.

Deswegen spiele ich TOP TEN auch nie mehr in Vollbesetzung, die Fehlversuche sind einfach zu viele und das verdirbt allen den Spaß. Zumal man für jeden Fehlversuch einen Chip mit Kackhaufen bekommt statt als Belohnung ein Einhorn. Hallo, das ist doch wohl nur doof und hat doch mit dem Spiel nix zu tun.
Zu fünft oder zu sechst macht es aber richtig Laune und dank schlanker Regel ist der Einstieg selbst für den hartgesottensten Spielemuffel leicht. Und das ist richtig gut so. Ob ich das Spiel tatsächlich für die ihm nun zugetragenen höheren Weihen vorgeschlagen hätte, bin ich mir nicht sicher. Dazu quietscht mir die Mechanik zu sehr. Aber für die familiäre Weihnachtsfeier und das Silvester im Freundeskreis ist TOP TEN absolut richtig und verdient es, gespielt zu werden. Wie zu allen anderen Gelegenheiten in großer Runde übrigens auch.

Also, lassen Sie sich von meinem Meckern auf hohem Niveau nicht davon abhalten, es unbedingt zu spielen und zwar so oft es geht. Denn sonst würden Sie richtig was verpassen.

Sabine Wiele

Aurélien Picolet: TOP TEN für 4 – 9 Personen ab 14 Jahren mit Illustration von Laura Michaud bei Cocktail Games 2021, Spieldauer 30 Minuten

Dieser Text erschien in der 140. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit: Abonnieren Sie das gedruckte Magazin oder bestellen Sie das einzelne Heft.