Fairplay 123 – Rezension: The 7th Continent

Fluchen und Suchen

The 7th Continent Box

Und wieder berichten wir über ein Spiel, das es gar nicht mehr gibt. Sogar die noch nicht erschienene Erweiterung ist schon wieder vergriffen. Und wieder liegt es an der Kickstarterei. Und doch ist es wichtig und relevant, über das Phänomen THE 7TH CONTINENT zu berichten.

Mit THE 7TH CONTINENT ist nämlich endgültig die Grenze vom Spiel zur Fernsehserie überschritten. Es geht nicht mehr darum, einen Abend lang in eine fremde Welt einzutauchen oder während einer ganzen Kampagne eine Geschichte zu erleben. In einer Partie ist es kaum möglich, ein größeres Ziel zu erreichen. Stattdessen gibt es immer wieder neue Ereignisse und Nebenlinien aus vergangenen Spielen, die neue Wendungen nehmen.

Bei THE 7TH CONTINENT steht nicht ein Ziel im Vordergrund. Es geht ums Entdecken und Erfahren einer ganzen Welt. Eingerahmt ist das Geschehen von der Geschichte einer Forschergruppe, die einen neuen Kontinent entdeckte und nach Rückkehr in die Heimat von Flüchen heimgesucht wird. Als Konsequenz finden sich die Entdecker zurück in der Einsamkeit und müssen herausfinden, wie sich die Flüche bannen lassen. Das ist aber gar nicht so einfach, da zunächst eben fast nur bekannt ist, dass es Flüche gibt, dass der Kontinent riesig ist und dass die Forscher schlecht ausgestattet sind.

Fairplay 123: Rezension – The 7th Continent Karten

Stück für Stück erforschen sie deshalb die nähere und weitere Umgebung, stellen Werkzeuge her, gehen jagen, überqueren Meere, treffen Eingeborene, durchqueren Wüsten, erkunden Verliese, um Stück für Stück Hinweise zu sammeln, die sich langsam zu Puzzles zusammensetzen, die zur Lösung des Fluches beitragen können. Es kann aber auch sein, dass Hinweise einfach unbrauchbar sind oder wichtige Entscheidungen ein paar Stunden zuvor sich irgendwann als fatal falsch erweisen. So kamen wir uns wie wahre Helden vor, als wir nach nur etwa 10 Stunden schon vor dem Ziel des ersten Fluches standen und erfreut den Lösungstext vorlasen. Doch da hatten wir uns zu früh gefreut. Höflich indirekt bekamen wir mitgeteilt, dass wir wohl an größeren Teilen der Aufgaben munter vorbeimarschiert waren und wir vielleicht bitte nochmal in verschiedenen anderen Teilen des Kontinents genauer suchen sollten. Dann ging uns das Essen aus.

Glücklicherweise ist es möglich, das Spiel an fast jeder Stelle zu unterbrechen. Das Spielprinzip erfordert dies sogar hin und wieder. Ein Vorteil von Pausen ist, dass zum Beispiel Jagdgründe wieder ergiebig werden. Ein Nachteil kann sein, dass alle schon entdeckten Gebiete wieder hinter einem Schleier verdeckter Karten verschwinden. So ist es möglich, pro Abend je nach Gemütslage ein, zwei oder drei Stunden lang ein paar Folgen zu spielen. Nach etwa zwanzig Episoden kommt es meist zum Showdown, und eine Staffel neigt sich mit dem Aufheben eines Fluches seinem Ende entgegen. Wer es etwas epischer oder schwerer mag, kann sich auch gleich an mehrere Flüche auf einmal wagen. Das ist auch notwendig, um wirklich alles erleben zu können. Denn je nach Fluch ändern sich manche Gebiete, und manch ein spezieller Hinweis findet sich nur, wenn sich die Gruppe im Kontext eines Fluches im Spezialgebiet eines anderen Fluches befindet.

Notwendig ist dies nicht, macht aber das Salz in der siebten Suppe aus. Denn es gibt noch die erwähnten Nebengeschichten und Aufgaben, die sich Stück für Stück zu einem größeren Ganzen zusammensetzen – oder auch nicht. Wir haben jetzt zwar alle sieben Flüche durchgespielt – eigentlich sind es deren acht. Aber einige Dinge sind uns immer noch schleierhaft, was wahrscheinlich daran liegt, dass wir nicht genau genug geforscht haben.

Fairplay 123: The 7th Continent Szene

Die Spielmechanik von THE 7TH CONTINENT ist einfach wie trickreich, aber für das Spielerlebnis fast egal. Wichtiger ist der Spaß, sich auf die Geschichten und die Atmosphäre einzulassen. Es ist sogar fast egal, ob die Gruppe bis ins Detail präzise alle Regeln befolgt oder sich hin und wieder ein paar Ungenauigkeiten leistet. Die Lösung jedes Fluches erfordert nämlich mehr als nur die Fähigkeit, Regeln befolgen zu können. Es gilt Karten nach winzigen Hinweisen zu durchsuchen, verborgene Tipps aus Texten und Liedern zu extrahieren und dann mit den richtigen Gegenständen in die richtige Gegend zu marschieren oder gezielt eine bestimmte Karte aufzudecken. Bei etwa 1000 verschiedenen Karten ist gezieltes Mogeln fast aufwändiger als den Fall gleich richtig zu knacken.

Dabei lohnt es sich aber auch, THE 7TH CONTINENT der Regeln wegen zu spielen. Dass es sich um ein kooperatives Spiel handelt, haben Sie wahrscheinlich mittlerweile erraten. Das Spiel besteht im Wesentlichen aus drei Kartensorten. Der größte Teil sind Kontinentkarten, die die verschiedenen Teile des Landes zeigen und gegenseitig aufeinander verweisen. Die Spieler beginnen immer auf einer vorgegebenen Karte und sehen außer dieser erstmal gar nichts. Die angrenzenden Gebiete wollen nämlich erst erforscht sein. Dafür müssen Ereigniskarten aufgedeckt werden. Das erinnert zwar ein wenig an Zufallsbegegnungen. Da bei THE 7TH CONTINENT aber wirklich alles möglich ist, ist es auch manchmal notwendig, genau eine ganz spezielle Zufallsbegegnung zu finden…

Das Ereignis kann so ziemlich alles bewirken, z.B. könnten wir ein Loch in einem Baum finden und uns entschließen, dieses genauer zu untersuchen. So etwas erfordert oft eine Probe. Dazu kommt die dritte Sorte Karten ins Spiel. Das sind die Fähigkeiten, unter die auch ein paar Flüche gemischt sind. Bei einer Probe deckt die Gruppe einige Fähigkeitskarten auf und zählt die sichtbar gewordenen Sterne. Es gibt Karten ohne Stern, mit einem oder mehreren Sternen, sowie linken oder rechten halben Sterne. Halbe Sterne lassen sich zu ganzen Sternen zusammensetzen. Je nach Probe gilt es, eine gewisse Anzahl von Sternen zu erreichen, sonst kann es ganz schön bitter enden. Ach ja, manchmal ist es aber gar nicht schlecht, eine Probe nicht zu bestehen, das müssen Sie aber selbst herausfinden.

Fairplay 123: Rezension – The 7th Continent Ziege

Etwas komplizierter ist das Konzept der Lucky 7. Auf manchen Karten finden sich Sterne mit einer Sieben. Wohl dem, der dann einen Gegenstand oder eine Fähigkeit mit einer Sieben aktiviert hat. Denn dann zählt jede Sieben für jede Lucky 7 einen Stern. Doch wie kommt man zu Gegenständen und Fähigkeiten? Unter allen aufgedeckten Karten darf die Gruppe eine behalten, und das können eben Gegenstände oder Fähigkeiten sein. Gegenstände müssen erst gebaut werden, was eine weitere Probe erfordert. Erleichterung bietet manchmal das richtige Gebiet. Ein Speer aus Holz lässt sich einfach im Wald leichter als in der Wüste konstruieren.

Gegenstände haben zwei Nachteile: Sie nehmen Platz weg, und jede Nutzung verbraucht sie ein wenig. Es ist zwar möglich, Gegenstände zu kombinieren, irgendwann ist die Gruppe aber etwas überladen und kann keine weitere Nahrung suchen. Doch zunächst zurück zu den Ereignissen. Nachdem eines von ihnen abgehandelt ist, darf endlich die passende Landkarte angelegt werden. Dann können die Spieler auf diese ziehen, was meistens einfach ist, es aber trotzdem erfordert, Karten aufzudecken.

Das ist wiederum auf Dauer ein Problem. Wenn nämlich der Fertigkeitsstapel aufgebraucht ist, droht das Spielende durch Verlieren. Alle weiteren Karten kommen von einem neugemischten Ablagestapel. Wird jetzt ein Fluch aufgedeckt, ist das Spiel sofort verloren.

Zum Glück ist es aber möglich zu jagen, ein Feuer zu entzünden und ein Steak zu verspeisen. Das erlaubt es, Karten zurückzumischen, was bedeutet, dass wieder ein regulärer Nachziehstapel vorhanden und die Spielendephase erstmal gebannt ist.

Jagen ist aber gar nicht so einfach, erstmal gilt es Tierspuren zu finden. Ohne passende Waffen ist es schwierig, einen Säbelzahntiger zu erlegen. Da bietet sich dann eher eine Ziege zum Verspeisen an. Aber wer weiß, vielleicht könnte die auch an einer anderen Stelle noch nützlich sein.

Eine andere Möglichkeit den Nachzugstapel aufzufüllen sind Erfahrungspunkte, die sich manchmal sammeln lassen. Wenn die Gruppe an der richtigen Stelle schläft, darf sie diese in erweiterte Fähigkeiten umsetzen.

Es gäbe noch viel zu erzählen, aber das Prinzip sollte klar sein: Aktion auswählen, die sich aus der aktuellen Position oder dem Inventar oder einem Ereignis ergibt – dann Karten aufdecken und das Ergebnis auswerten. Die Flüche erfordern es, bestimmte Dinge auf den Landschaften zu finden und zu deuten. Oft ist es notwendig, etwas zu finden, was es erlaubt, eine bestimmte Karte zu nehmen, mit der es woanders dann irgendwie weitergeht.

THE 7TH CONTINENT bietet ein großartiges Spielerlebnis. Empfehlenswert ist es für kleine Gruppen, z.B. zu zweit. Aber im Prinzip ist dies egal, da eh alles gemeinsam diskutiert und beschlossen werden sollte. Das Spiel ist eine Wunderkiste fantastischer Ideen, überaus liebevoll gestaltet und fast perfekt produziert. Aber: Fast jede Karte enthält längere Texte, die zum Spielverständnis notwendig sind – und das Spiel ist nur auf Englisch und Französisch erhältlich. Sie sollten also sprachfest sein, sonst macht die Sache wenig Spaß.

Wir warten jetzt auf die Erweiterung im Herbst. Und Sie sollten sich überlegen wie Sie an ein gebrauchtes Exemplar kommen könnten.

Karl-Peter Nos

Ludovic Roudy und Bruno Sautter: THE 7TH CONTINENT für 1 – 4 Personen mit Illustration von Ludovic Roudy bei Serious Poulp 2017, Spieldauer 5 – 1000 Minuten

Dieser Text erschien in der 123. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 24 Euro im Jahr.

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