Fairplay 146 – Rezension: Faraway

Beitragsbild FP146 Faraway

Die Punkte liegen auf der Straße

FARAWAY, dieses flotte Kärtchenlegespiel vom französischen Verlag Catch Up Games, hat es auf den ersten Platz der Scoutliste für die Hallen 1, 2, 5, & 6 geschafft. Gratulation! Und das Spiel heißt so, weil es mit Halle 6 far away vom Fairplay-Stand in Halle 3 war.

Nee, ist natürlich Quatsch. Aber so weit hergeholt auch wieder nicht. Schließlich geht es in FARAWAY um Expeditionen in ferne Messehallen … pardon, nach Alula, dem mysteriösen Kontinent im Irgendwo. Dort schlagen wir uns durch Buschwerk, felsige Landstriche, vorbei an wilden Tieren hin zu verlassenen Kultstätten. Auf einer Strecke von genau acht Ortskarten. Doch erst mit dem Rückweg zeigt sich, ob unsere Expedition ein Erfolg war. Und spätestens dann wird den zwei bis sechs Expedierenden der Kniff dieses kleinen Kartenspiels freudvoll oder schmerzhaft bewusst. Bei FARAWAY kommt es nämlich darauf an, die eigene Expedition vom Ende her zu denken. Dazu ist zunächst der Aufbau der Karten zu verstehen. Jeder Karte ist oben links ein Zahlenwert von 1 bis 68 zugeordnet, thematisch gesehen eine Art Erkundungsdauer. Auf jeder Karte befinden sich oben rechts eins, zwei oder auch keins der Ortsmerkmale Felsen, Tier, Pflanze. Die sind nötig, um die unten rechts stehende Anforderung zu erfüllen und die damit verbundenen Punkte zu kassieren. Selbstredend, dass sich nur ganz selten auf einer Punktekarte ein Symbol befindet, das Teil der Bedingung ist.

Aus unseren stets drei Handkarten wählen wir pro Runde eine aus und legen sie offen ans rechte Ende unserer Expeditionsstrecke. Acht mal, abschließend erfolgt die Wertung des ganzen. Hört sich bis hierher alles simpel an. Stimmt, FARAWAY ist ein regeltechnisches Leichtgewicht. Aber kein denktechnisches. Falls Sie dieses Spiel in heiterer Comic-Optik und fluffigem Fantasy-Setting unterschätzen, geht Ihnen unterwegs garantiert die Puste aus.

Wer aufbricht …

Bereits mit dem Auswählen der Startkarte fängt die geistige Zwickmühle an zu rotieren. Spiele ich eine Karte mit hohem Zahlenwert, verspricht die Bedingung reichlich Punkte. Durch eine Karte mit niedriger Erkundungsdauer habe ich bessere Chancen, vor der Konkurrenz eine neue, die optimale Handkarte aus der Nachziehauslage zu picken. Und noch ein Vorteil der niedrigen Werte: Sie kommen zwar ohne Anforderung, dafür teils mit zwei Symbolen oder sogar kleinen Siegpunktgeschenken daher. Außerdem könnte ich einen niedrigen Wert mit dem Wert meiner nächsten Karte potenziell übertreffen. Gelingt mir das, ziehe ich Heiligtumkärtchen von einem extra Stapel. Grundsätzlich eine und pro Schatzkartensymbol in meiner Auslage eine weitere. Je größer die Auswahl, desto besser, weil ich pro Zug nur eine davon behalten darf. Was ich auch ganz unbedingt will, da das kleine Helferlein sind, die mir ebenfalls die begehrten Symbole und zusätzliche Punkte bringen, die mich unabhängig von den Ortskarten machen. Was also tun? Kleiner Wert, großer Wert, Symbole sammeln, Bedingung ausspielen, jetzt oder später? Mit jeder neuen Karte stehe ich unter echtem Entscheidungsdruck.

… muss auch umkehren …

Nach der achten Karte schlägt die Stunde der Wahrheit: Wessen Expedition wirft die meisten Punkte ab? Die Spannung steigt. Noch ein schneller Blick auf die Strecken der anderen, und dann: Drehen alle Expedierenden ihre acht Ortskarten auf die Rückseite! Heiligtümer bleiben davon verschont, die liegen zum Glück immer offen aus. Von rechts nach links … nein, kein Verschreiber! … wird nun eine nach der anderen Karte aufgedeckt und sofort gewertet. Aber Achtung, Punkte gibt es nur dann, und wirklich nur dann, wenn die in der Bedingung verlangten Symbole genau in diesem Moment sichtbar vor mir liegen! Jahaaa, für vier Felsen gäbe es satte 20 Punkte. Gäbe es, Konjunktiv. Zwei Felsen auf Heiligtümern, zwei verdeckte Felsen am Anfang der Expedition … macht zusammen zwei sichtbare Felsen … macht leider keine Punkte. Nächste Karte, zwei Tiere sind gefordert. Eines ist auf der Karte selbst, das zweite auf einem meiner Heiligtümer. Bedingung erfüllt, Punkte kassiert. Sie merken, wie wichtig die Heiligtümer sind?! Weiter im Text. So lange, bis alle Expeditionen samt Heiligtümern von hinten nach vorne ausgezählt sind.

Und, haben Sie sich unterwegs verzettelt oder sind Sie reich bepunktet zuhause angekommen? Vertrackte Sache, diese Vorwärts-Rückwärts-Reise, nicht wahr? Aber wie originell ist die Idee denn bitte schön?!? Gut, eine Lernexpedition braucht es sicherlich. Aber danach hat sich das Gehirn in der Regel zurechtgerüttelt und kann beim vorwärts Spielen rückwärts Kalkulieren. Meistens.

… und will direkt wieder losziehen.

In FARAWAY agiert jeder und jede für sich alleine, aber alle gleichzeitig. Einzig beim Auswählen der Handkarte laufen sich die Expedierenden kurz über den Weg. Die Entdeckungsreise ist durchaus thematisch; die Illustrationen und Flavour-Text in der Anleitung vermitteln einen Hauch abenteuerliche Stimmung. Tiefer steigen wir jedoch nichts ins Thema ein. Durch das Spiel mit Zahlenwerten und Symbolen bleibt FARAWAY unterm Strich eine abstrakte Denksport-/Optimierungsaufgabe. Aber eine äußerst reizvolle! Ständig brennt’s im Hirn und unter den Sohlen. Acht Runden sind nicht viel. Da muss, wenn möglich, jede Ortskarte sitzen. Durch Heiligtümer können Sie sich etwas Luft verschaffen. Aber manchmal schlägt das Kartenpech auch einfach gnadenlos zu. Oder stumpf verspekuliert, weder rückwärts gedacht noch vorwärts aufgepasst? Kann nicht sein. Und ob. Das passiert selbst Expeditionexpertinnen: Ach Mist, mir fehlt doch jetzt tatsächlich ein Tierschädel, wieso habe ich den nicht? Dafür klappt’s in der nächsten Partie wieder besser. Und noch besser, wenn einem das Glück die optimale Karte einfach vor die Füße legt: Fünf Felsen auf Heiligtümern gesammelt, Nr. 68 nachgezogen, als letzte Karte ausgespielt: Zack, Bedingung erfüllt für satte 24 Punkte. Heidewitzka, läuft bei mir!

Ob Glück, Pech oder sonst was, mich packt das FARAWAY-Fernweh stets aufs Neue. Weil jede Expedition nach Alula anders verläuft. Weil jede Reise spannend ist. Weil das Spiel in jeder Besetzung hervorragend funktioniert. Weil es einfach Spaß macht, sich in FARAWAY geistig abzustrampeln!

Astrid Diesen

Johannes Goupy und Corentin Lebrat: FARAWAY für 2 – 6 Personen ab 10 Jahren mit Illustration von Maxime Morin bei Catch Up Games 2023, Spieldauer 15 – 30 Minuten, Made in ohne Angabe