Fairplay 143 – Rezension: Heat: Pedal to the metal

„Es ist besser, langsam in eine Kurve hineinzufahren und schnell herauszukommen, als schnell hineinzufahren und tot herauszukommen.“

Stirling Moss

1961 Eine neue Formel 1 Saison steht in den Startlöchern. Uns erwarten vier packende Rennen, sechs Fahrer nehmen Platz in ihren Boliden, ausgestattet mit ordentlich PS unter dem Sitz. Die Fahrzeuge in dieser Saison sind farbenfroh wie eh und je. Der rote Ferrari sticht heraus: Schnappt sich natürlich gleich meine Mitspielerin! Zum Glück sind in der Standardversion von HEAT – PEDAL TO THE METAL (i.F. HEAT) alle Autos gleich gut. Das ändert sich erst mit Modulen aus dem Expertenmodus.

Free Practice und Vorbereitung

Alle wählen eine Farbe und stellen ihr entsprechendes Miniaturmodell in beliebiger Reihenfolge vor die Start-/ Ziellinie auf der gewählten Rennstrecke, France, UK, USA oder Italy. HEAT spielt 1961, die Strecken hießen vor über 60 Jahren nicht Silverstone, Austin, Paul Ricard oder Monza, sondern Aintree, Watkins Glen oder Reims-Gueux. Nur die altehrwürdige Strecke im Norden Italiens, Monza, hat den stetigen Wechseln im Rennkalender Stand gehalten. Die Streckenpläne in diesem Spiel haben bedauerlicherweise kaum noch etwas mit den Originalstrecken zu tun. Der Bespielbarkeit wegen sollten einfachere Rennstecken das Original ersetzen, auch eine Boxengasse fehlt. Schade, aber verständlich! Wir erhalten einen Schaltknüppel und ein Cockpit-Tableau. Darauf sind die Phasen des Spielzugs und drei Felder für Spielkarten abgebildet: den Nachzieh- bzw. Ablagestapel und ein Motorfeld. Dorthin legen alle zu Beginn jeweils sechs Hitzekarten.

Qualifying und Rennstrategie

Der Samstag vor dem Rennen, die letzten Upgrades werden installiert, dann geht es raus. So auch bei HEAT. Neben zwölf Rennkarten (Werte eins bis vier) und drei Stresskarten garnieren wir den Boliden mit drei wenig glanzvollen Standardupgrades oder den individuellen wie weitaus attraktiveren Karten des Garagen Moduls. Mit einem erfrischend wirkenden Mechanismus, der das Drafting erleichtert, wählen wir drei spannende Upgrade-Karten. Je nach Strecke und Wetter sucht jeder möglichst passende Karten aus – schnappt da etwa jemand die beste Karte vor der Nase weg?

Das wirkt sich auf ein deutlich realistischeres Racing aus. Auch in der F1 gibt es reihenweise Unterschiede zwischen den Fahrzeugen. Mischt den Stapel, zieht sieben Karten und startet den Motor!

Race und Asphaltkrieger

Das laute Brummen der Motoren, ein warmer Herbsttag im Norden Italiens, ausgelost durch das Wetter-Modul. Zwei Runden, dann steht fest, wer siegt. Die ersten Rennkarten sind bereit, schaltet ein- oder zweimal – ohje der Motor läuft heiß – egal, eine Hitzekarte wandert vom Motorblock auf den Ablagestapel! Je nach Gang spiele ich Karten von meiner Hand verdeckt vor mich aus. Schon hier gilt es, die Strecke und vor allem die Konkurrenten zu beobachten. Mit einem guten Handmanagement und einem vorausschauenden Fahrstil sind die gegnerischen Fahrzeuge nur noch im Rückspiegel zu sehen. Natürlich haben wir nicht alles in der eigenen Hand. Die anderen wollen auch gewinnen und so entwickelt sich HEAT gerade in den Kurven zu einem packenden Kampf um die vorderen Plätze. Am Ende muss ich das Beste aus meinen Möglichkeiten machen.

Nach Aufdecken der Karten schieben sich die Wagen entsprechend der ausgespielten Karten nach vorne. Der Expertenmodus birgt für weniger als sechs Fahrende den kreativen Legendenmodus. Überzählige Autos stellt ihr einfach zusätzlich auf die Startposition. Ein Legenden-Automa fährt nach Aufdecken einer Legendenkarte mit bunten Helmen, passend zum Auto. Dies funktioniert in den ersten Partien noch etwas ungewöhnlich, ist aber ziemlich genial. Nur die blauen und grünen Helme sind auch bei perfekten Lichtverhältnissen oft schwer zu unterscheiden. Die Legenden sorgen für Abwechslung und können mit den menschengesteuerten Fahrzeugen weitestgehend mithalten. Das Handling funktioniert bei fünf Spielenden und einer genauso wie im Solospiel mit fünf Legenden. Ein klarer Vorteil gegenüber anderen Rennspielen, ob mit motorisiertem Unterbau oder auf dem Fahrrad.

Sind alle Autos gefahren, aktivieren die Fahrer in ihren Zügen – die Position bestimmt die Reihenfolge – verschiedene Zusatz-Funktionen des Autos. Wir starten mit Adrenalin, Motorkühlung oder Boost. Im Windschatten schiebe ich meinen Wagen an der Konkurrenz vorbei. Quiiietsch! Vorsicht Kurve, Geschwindigkeitskontrolle. Diese hat einen Wert von fünf, meine Geschwindigkeit aus den Karten beträgt aber sechs. Die Differenz zahle ich mit Hitzekarten. Sind alle Hitzekarten im Deck, überhitzt der Motor, muss neu gestartet werden und wirft uns im Rennen zurück. So weit soll es erst gar nicht kommen. Dank vorheriger Kühlung geht’s mit Ach und Krach durch die Kurve. Wenn da nicht der Überhitzen-Token genau in dieser Kurve liegen würde. Wie Charles Leclerc sagen würde: Nooooooooo!

Mit viel Geschick, Glück beim Nachziehen der Karten und etwas Kurvenmathematik spielt sich der eigene Spielzug angenehm flüssig und ohne große Probleme. Das lädt zu Trashtalk und Schadenfreude am Spieltisch ein. Bei nur zwei zu fahrenden Runden sehen auch die Verlierer schnell über null Punkte hinweg. Ein zweites Rennen fahren wir erst am nächsten Spieleabend, mit fünf oder mehr Rookies auf der Strecke zieht sich die Spieldauer Richtung Originallänge eines Rennens (2h+). Egal, hat Spaß gemacht! Mit weniger Personen unterwegs, sinkt die Spielzeit deutlich. Durch die Module und gleich vier unterschiedliche Strecken ist HEAT abwechslungsreich und besticht durch einen hohen Wiederspielwert. Eine große und positive Überraschung ist, dass HEAT in vielen verschiedenen Spielrunden gefiel, die sich für Motorsport nicht im Entferntesten interessieren.

Der WM Titel…

… wird auf der Strecke entschieden. Alle sind ihres eigenen Glückes Schmied, niemand muss auf sogenannte Strategen zurückgreifen und keine Reifenwechsel stehen an. Welch glückliche Fügung für das Team Scuderia Ferrari. Auf den letzten Seiten der Spielregeln ist der Meisterschaftsmodus inklusive der Rennen auf allen Strecken zu finden. Dazu liegt spezielles Spielmaterial parat: Sponsoren, Presse und Events neben der Strecke.

Box box box! Die Box ist ansprechend gestaltet, bewusst sind hinsichtlich Schrift und Design renntypische Abnutzungserscheinungen zu erkennen. Dies spiegelt sich auch im Design der Karten und des Cockpits wider. Das Highlight offenbart sich allerdings erst nach dem Öffnen der Schachtel. In dem vorbildlichen Inlay finden Spielplan, Karten, Plättchen und die herausragenden F1-Wagen ihren Platz, Zip-Tüten ade. Dabei fallen besonders Lücken für zwei weitere Fahrzeuge und entsprechendes Zubehör auf. Ist da etwa eine Erweiterung in Arbeit? Ich wünsche mir den orangefarbenen McLaren!

Das Wichtigste zum Schluss: Am 03. September fahren Norris, Verstappen und Co. wieder in Monza!

Lasse Goldschmidt

Asger Harding Granerud und Daniel Skjold Pedersen: HEAT: PEDAL TO THE METAL für 1 – 6 Personen ab 10 Jahren mit Illustration von Vincent Dutrait bei Days of Wonder 2022, Spieldauer 30 – 60 Minuten, Made in Germany

Dieser Text erschien in der 143. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit: Abonnieren Sie das gedruckte Magazin oder bestellen Sie das einzelne Heft.