Fairplay 117 – Rezension: Iki

Diese Rezension erschien in Fairplay Nr. 117 (Herbst 2016). Sie basiert auf der ursprünglichen, englischen Ausgabe des Spiels. 2021 hat der französische Verlag Sorry We Are French eine überarbeitete Neuauflage herausgegeben. Die deutsche Ausgab erschien bei Giant Roc und beruht auf dieser Neuauflage.
Sorry We Are French listet auf ihrer Website alle Details auf, in denen sich die Neuauflage und die hier besprochene, ursprüngliche Auflage unterscheiden.

Exotische Hausmannskost

Ein Spiel, zwölf Runden, darin vier Zwischenwertungen, danach eine Schlussrunde und schließlich die Endwertung. Wer nun die meisten Siegpunkte sammeln konnte, gewinnt die Partie. Hört sich doch nach Hausmannskost an, oder?! Doch so ganz will sich nicht das mitteleuropäische Standardspieleflair einstellen. Kein Wunder: Bei IKI weht der thematische Hauch fernöstlicher Handwerke(r) über den Spieletisch.

Wäre dieses Spiel mit einer üblichen mittelalterlichen Thematik – ich hätte es vermutlich nicht intensiver angeschaut, zumal ich bei Kickstarter-Projekten eher skeptisch bin. Mit dem japanischen Thema war jedoch meine Neugier geweckt – und ich wurde nicht enttäuscht: Stimmig ziehen sich mehrere atmosphärische Fäden durchs Spiel. Zunächst der kalendarische Bezug. Jede der zwölf Runden entspricht einem Kalendermonat, und so spielen wir uns vom Januar bis zum Dezember und dabei durch die vier Jahreszeiten. Nach jeder Jahreszeit kommt es zur Wertung, und zu Beginn einer neuen Jahreszeit wechselt das Angebot der Handwerker.

Genau dies sind die Hauptpersonen bei IKI: Die vielfältigen Handwerker, die in ihren Geschäften entlang der geschäftigen Straße im alten Edo (heute: Tokio) ihren Berufen nachgehen. Wir Spieler schauen uns das Geschehen aus zwei Sichten an: Zum einen mit unserer großen Figur, die in den Straßen ihre Runden zieht und bei den Handwerkern einkauft. Zum anderen, indem wir die Handwerker selbst verkörpern und somit das Angebot an Geschäften steuern.

Ausgabe von 2015

Ausgabe von 2022

Da die Feuer-Vorhersage für dieses Jahr Brände im Mai, August und November angekündigt hat, sollten wir außerdem in den Feuerschutz investieren. Das lohnt sich nicht nur, um die eigenen Geschäfte zu schützen, sondern auch um in der Spielreihenfolge vorn zu sitzen. Die nach Stefan Feld benannte „Feld-Leiste“, wie wir sie etwa aus IM JAHR DES DRACHEN oder BORA BORA kennen, kommt somit auch bei IKI zum Einsatz. Zufällig trifft ein Feuer eines der vier Stadtviertel. Von außen nach innen frisst sich das Feuer seine Schneise durch die Häuser und schwächt sich dabei mit jedem verbrannten Grundstück ab – wer genug Feuerschutz vorweisen kann, beendet die Feuersbrunst. So mancher Feigling konnte sein schlecht geschütztes Gebäude retten, indem er einfach weiter innen baute als ein fleißiger Feuerwehrmann!

Ein Monat läuft folgendermaßen ab: Zunächst entscheiden sich die Spieler, wie viele Felder auf dem acht Felder langen Rundkurs durch die Stadt sie ziehen wollen. Zwischen einem und vier Feldern sind möglich, jede Option steht nur einmal zur Verfügung. Wer im Feuerschutz bereits am weitesten vorangeschritten ist, darf zuerst wählen. Die tatsächliche Bewegung mit anschließenden Aktionen beginnt der Spieler, dessen Figur einen Schritt macht, es folgen die Spieler mit höherer Reichweite. Wer ganz dringend ganz vorne an der Reihe sein möchte, wählt das Feld mit dem „X“ – er darf sich ein Zielfeld aussuchen und ist als Erster an der Reihe. Doch er verzichtet auf den ersten Teil des Zuges.

Wer an der Reihe ist, darf zuerst einen neuen Handwerker anheuern. In jedem Monat gelangen einige Handwerker in die Auswahl, innerhalb einer Jahreszeit bleiben verschmähte Handwerker aus den Vorrunden weiter am Markt und senken überdies ihre Kosten. Nur wer das Feld mit dem „X“ ausgesucht hatte, darf hier nicht mitmachen – auch die alternative Möglichkeit, statt des neuen Handwerkers einfach vier Geld zu nehmen, steht ihm nicht zur Verfügung. Im Anschluss führt der aktive Spieler seine Bewegung aus. Die gewählte Reichweite muss er ziehen, mit Sandalenplättchen kann er jedoch weiter laufen.

Am Zielort darf der aktive Spieler zunächst das allgemeine Angebot dieses Feldes nutzen. Vom Einkauf etwa von Sandalen oder Reis bis hin zu einem Schritt auf der Feuerschutz-Skala reicht das Angebot. Ferner darf man optional das Geschäft eines eigenen oder fremden Handwerkers in Anspruch nehmen. Die Handwerker anderer Spieler gewinnen durch diese Nutzung an Erfahrung. Zumeist drei Erfahrungsschritte werden benötigt, um einen Handwerker in die Rente zu entlassen.

Einen Handwerker in den Ruhestand zu schicken hat einen kleinen Nach- und zwei größere Vorteile. Fangen wir mit letzteren an: Im Ruhestand baut sich der Handwerker selber Reis an. Arbeitende Handwerker sind am Ende jeder Jahreszeit von ihren Spielern zu füttern. Aktive Handwerker bringen – wieder am Ende jeder Jahreszeit – zudem Siegpunkte aus der Zwischenwertung. Schaffen in einem Viertel mindestens zwei Handwerker mit derselben Hintergrundfarbe, so bringen sie ihren Spielern jeweils so viele Punkte, wie es gleichfarbige Handwerker im Viertel gibt. Mit dieser Wertung lässt sich ein recht nettes Grundpolster an Siegpunkten erarbeiten. Womit auch der Nachteil der Rente erklärt wäre: Denn ein Handwerker im Ruhestand erwirtschaftet diese Siegpunkte nicht mehr!

Allein die Finanzierung und der Unterhalt der Handwerker erfordert schon gute Planung: Sie müssen zunächst beim Anheuern bezahlt sowie in aktiver Form gefüttert werden. Die Zwischenwertungen sprechen dafür, gleichartige Handwerker zu beschäftigen – in der Endwertung sollte man es jedoch besser geschafft haben, von jeder der fünf Farben einen Handwerker eingestellt zu haben. Stolze 25 Siegpunkte sind dann drin – nämlich die Anzahl gesammelter Farben im Quadrat.

Weitere Siegpunkte sind in der Stadt über den Kauf von Tabak & Pfeifen sowie von Fischen zu holen. Da Geld stets knapp ist, muss man zwangsläufig Schwerpunkte setzen. Die ganz langfristige Investition besteht im Gebäudebau. Deutlich mehr als 20 Siegpunkte kann man durch den Bau eines Gebäudes gutmachen, jedoch erfordert dies ein Sammeln von Holz und womöglich auch teuer bezahltem „koban“ (Goldmünze, die in sich bereits 3 Siegpunkte wert ist).

Neben der Anforderung, das nötige Kleingeld im rechten Moment parat zu haben, kann sich ein fleißiger Arbeitgeber vieler Handwerker auch selbst austricksen. Schon mancher Fluch schallte über den Spieletisch, wenn beim Anheuern neuer Arbeitskräfte die Erkenntnis dämmerte: Nur vier Handwerker-Figuren stehen zur Verfügung – alle arbeiten! Ich kann dann also keinen fünften Handwerker einstellen, bis nicht einer der vier aktiven in Rente geht. Noch ärgerlicher wird es, wenn dann in der Jahreszeitenwertung nicht genug Reis zur Verfügung steht und Handwerker ohne weitere Ausschüttungen verhungert wieder vom Brett genommen werden müssen.

Ganz klar: Um IKI gut zu spielen, benötigt man einiges an Übersicht. Mit mehr Spielerfahrung wächst der Überblick. Jede Partie verläuft anders, weil die Handwerker einer Jahreszeit in unterschiedlicher, gemischter Reihenfolge ins Spiel kommen. Nicht immer ist es einfach, wirklich alle fünf Handwerker-Farben zu ergattern – pro Jahreszeit spielen gar nicht alle Handwerker mit, so dass es in ein oder zwei Farben auch starke Konkurrenz um die wenigen angebotenen Karten geben kann. Wohl dem, der durch guten Feuerschutz einen frühen Zugriff sichern kann!
Die benötigte gute Übersicht im Spiel wird sich erst mit Spielerfahrung einstellen. Die Spielregel hilft eher – sagen wir: suboptimal – weiter. Hier ist Durchbeißen angesagt. Erschwert wird dies durch die exotischen Vokabeln. Etwas besser illustrierte und beschriebene Beispiele hätten sicher zum Verständnis beim Spielablauf beigetragen. Wer IKI bereits einige Male gespielt hat, findet aber sicher eine eigene Struktur zum Erklären, um anderen Spielern einen geschmeidigeren Einstieg zu ermöglichen. Denn sonderlich ungewöhnlich oder sperrig sind die Abläufe eigentlich nicht…

Bei den Siegpunktquellen für die Endwertung ist eine Fokussierung zumeist besser als ein Streuen. Manches Mal ist die Spielreihenfolge wichtig. Bei der Auswahl aus den aktuellen Handwerkern ist dies ebenso interessant wie beim Zugriff auf die aktuellen zwei Fische einer Jahreszeit. Nur wer Fische aus unterschiedlichen Jahreszeiten sammeln kann, punktet in der Fischwertung. Und dann geht der Handwerker eines Mitspielers just genau vor meinem Zug in Rente, so dass ich ihn eben nicht mehr nutzen konnte…

Bei IKI kommen einige üblich-bekannte Mechanismen zum Einsatz, die auf anspruchsvolle Weise neu zusammengesetzt werden. Die Ausstattung versetzt die Spieler atmosphärisch ins Japan der Edo-Zeit. Entlang der bevölkerten Straße entfaltet sich ein detaillierter Bilderbogen der verschiedenen Handwerker, die Jahreszeiten bringen weitere grafische Anreize ins Spiel. Die Spannung, ob alle Pläne aufgehen und wie ich mich an sich verändernde Voraussetzungen anpasse – nachdem die lieben Mitspieler den einen oder anderen Plan durchkreuzt haben – fordert mich als Kennerspieler heraus und macht IKI damit zumindest für einige Partien zu einem lohnenswerten Ausflugsziel in den fernen Osten. Nur nicht ärgern lassen, sondern die Herausforderungen mit japanischer Freundlichkeit annehmen und das Beste daraus machen!

Kathrin Nos

Koota Yamada: IKI für 2 – 4 Personen ab 14 Jahren mit Illustration von Dommiy bei UTSUROI 2015, Spieldauer 60 – 90 Minuten
Koota Yamada: IKI: DIE HANDWERKER UND HÄNDLER VON EDO für 2 – 4 Personen ab 14 Jahren mit Illustration von Dommiy, David Sitbon, Koota Yamada bei Giant Roc 2022, Spieldauer 60 – 90 Minuten

Freud und Leid mit Kickstarter

Wir haben IKI voriges Jahr in Essen gekauft, dort nahmen wir nur wahr, dass es sich um ein Kickstarter-Projekt handelte. Während bis nach der Messe lief zudem eine Kampagne der Spieleschmiede für eine deutsche Version des Spiels. Für diese kam aber nicht genug Geld zusammen, so dass die investmentwilligen Spieleschmiede zwar das Angebot erhielten, eine englische Version des Spiels mit einer deutschen Spielregel im PDF-Format zugesendet zu bekommen – oder ihr Geld zurück zu erhalten.

Bei der Recherche für diesen Artikel verfolgte ich den aktuellen Stand der originalen Kickstarter-Kampagne. Die in Essen 2015 verkauften Exemplare stammten bereits aus dieser Kampagne – inklusive der Holzfiguren mit der Geisha als Figur auf den Straßen der Stadt und kimono-gekleideten Figuren zur Bewirtschaftung der Handwerker-Gebäude. Insgesamt 83 Förderer bei Kickstarter hatten jedoch besondere Level gefördert. Sie sollten ihr Spielbrett als Makimono erhalten – ein Rollbild, wie man es womöglich von Kaligraphien her kennt. Untergebracht wird dieses in einer edlen Holzbox. Mehr als 200 US-Dollar ließen sich dies die Förderer kosten.

Im Mai begann die Auslieferung dieser handgefertigten Sondereditionen. Doch einige europäische Förderer erlebten eine unangenehme Überraschung: Zwar war das Projekt als EU-freundlich ausgewiesen – Förderer in der Europäischen Union erhielten die Zusage, dass der Versand innerhalb der EU erfolgen würde. Doch die Sonderanfertigungen kamen direkt aus Japan. Das stand zwar in der Beschreibung der Sonder-Editionen – die Konsequenz für europäische Empfänger war jedoch, dass sie Einfuhrzoll bezahlen mussten. (kn)