Fairplay 142 – Rezension: Dorfromantik

Typisch deutsch

Und deutscher geht es kaum. Mit der Landliebe hat das alles angefangen, mit Joghurts und anderen Milchprodukten. Und natürlich auch mit Konfitüre. Die Liebe zum Land geht den Deutschen nicht nur durch den Magen. Bringt ja alles Liebe … und Geld. Und dann kam die „Landlust“ und mit ihr noch etliche andere Zeitschriften übers Landleben. Landlust?! Klar, gibt’s die auch auf dem Land. Neben Silage, Biogasvergärungsanlagen, Gülle, endlosen Maisfeldern und jede Menge Massentierhaltung. Sehr idyllisch …
Spüren Sie Romantik? Uhhh, wenn Sie das reale Landleben auslassen, dann vielleicht. Aber klingt DORFROMANTIK nicht sowieso verdammt sperrig? Was heißt schon Dorfromantik? Genau das, was sich die Macher des Computerspiels Dorfromantik darunter vorstellen: aufgeräumte Landschaften mit eingesprengten Siedlungen, Wäldern und gelben Kornfeldern. Mit Flüssen und Dampflokomotivenromantik. Und im Pegasus Legespiel? Die Romantik geht dann so weit, dass der Hintergrund so herrlich olivgrün ist, als wäre überall die Bundeswehr. Unordnung wird bei aller Romantik im Spiel nicht geduldet, auf sechseckigen Plättchen herrscht klare Ordnung über jedwede Romantik. Wildwuchs wird nicht zugelassen, an keiner Stelle. Oh doch: Nur Eisenbahnlinien und Flüsse müssen immer passend angelegt werden. Bei allen anderen Strukturen ist gewisser Wildwuchs doch noch möglich.
Sind Sie jetzt romantisch eingestimmt? Ich fürchte, es geht eher um Landschaftsplanung mit Sechsecken … Ausbau von Dörfern, Äckern, Wäldern, Bächen und Eisenbahnstrecken. Und jetzt der Clou. DORFROMANTIK ist kooperativ! Wir entscheiden gemeinsam, wohin das Plättchen kommt, denn … wir erkennen gemeinsam, wo was am besten hinpasst, wo sich wo noch Optionen zur Erfüllung von Aufträgen bieten oder zerstören. Wir erkennen das! Klar, eine besser als andere. Und keine so gut wie ich. Vorsicht, denn bei topologischen Legespielen mutiere ich stante pede zum Alphatier unter den Landschaftsplanern.
Wohin kommt was? Das richtet sich natürlich nach den Auftragsplättchen. Drei davon sind immer im Spiel. Jedes Auftragsplättchen ist einer Art zu geordnet: Dorf, Wald, Acker, Fluss und Eisenbahnlinie. Das wissen Sie. Zusätzlich kommt darauf eine kleine Auftragszahl, die verdeckt gezogen wird. Draufsteht 4, 5 oder 6. So viele Plättchen muss das Dorf, der Acker, der Wald groß und der Fluss bzw. die Bahnlinie lang werden. Solange drei Auftragsplättchen im Spiel sind, ziehen wir vom normalen Plättchenstapel und bauen die Landschaft aus.
Und wenn wir’s schaffen, einen Auftrag zu erfüllen, alles passend angelegt haben, kommt das Zahlenplättchen als Siegpunkte an die Seite. Ein neuer Auftrag muss her, wird möglichst gut passend angelegt. Wir sollten die Stapel für Aufträge und Landschaftsplättchen tunlichst gleichmäßig abarbeiten. Wenn es bei der Auftragserfüllung stockt und es nicht vorangeht, ist es ganz schlecht für den Punktestand bei Spielende. Schluss ist, wenn die normalen Plättchen alle gelegt sind.
Natürlich haben wir immer das Ziel, möglichst viele Punkte für jede Landschaftsart zu machen. Damit schalten wir Errungenschaften frei, die das Landleben vor neue Herausforderungen stellen oder das Leben leichter machen. Dazu dürfen wir dann endlich die weiteren kleinen Boxen öffnen. Darin stecken dann die neuen Aufgaben, neue Plättchen und weitere Errungenschaften. Die wollen wir entdecken. DORFROMANTIK ist schließlich auch ein Kampagnenspiel, dafür gibt’s für uns ein Kampagnenblatt. Fragen Sie mal einen Landwirt nach der Bürokratie, mit der wir auch leben müssen. Allein schon zur Nachverfolgung, welche Plättchen, Aufträge … bereits im Spiel sind.
Das führt natürlich dazu, dass wir das Spiel zurücksetzen müssen, wenn wir es in einer anderen Gruppe spielen wollen. Das ist wirklich mühsam, erfordert ein gutes Auge, die entsprechenden Plättchen wieder aus den Stapeln heraus zu sortieren … Wollen wir wirklich mit einer anderen Gruppe neu anfangen?
Überhaupt: Wollen wir gemeinsam spielen? Kooperativ? Gut, wer das Plättchen zieht, darf letztlich entscheiden, wo es angelegt wird. Moment bitte? Wo soll das hin? Macht es nicht mehr Sinn, den Vierer-Auftrag fürs Kornfeld an das unfertige Kornfeld mit dem Sechser-Auftrag zu legen? Das wären zwei Fliegen mit einer Klappe? Doof wäre der umgekehrte Fall, denn ein Auftrag gilt als unerfüllbar, wenn sich durch den Zusammenschluss für einen Vierer-Auftrag plötzlich ein größeres Dorf ergibt. Also Vorsicht! Der Zufall bei der Ziehung der Auftragszahlen hat schon einen gravierenden Einfluss auf den Ausgang des Spiels. Überhaupt sollten wir vorausplanend bauen, für alle Eventualitäten passende Anlegemöglichkeit haben. Und um möglichst viele Aufträge auf einmal zu erledigen. Erst den Vierer, dann die höherwertigen Aufträge … das wirklich zu schaffen, ist dann eher dem Zufall geschuldet.
Wollen Sie mit mir zusammen die Plättchen legen, den Spieltisch fliesen, Punkte sammeln? Und falls ja, warum? Würden Sie mit mir auch vor dem Computer sitzen, um gemeinsam DORFROMANTIK zu spielen? Ich würde das Spiel hier nicht mit Ihnen, mit dir oder euch spielen wollen. Das wäre mir zu doof. Ich will selbst meinen High Score schlagen, endlich mehr Punkte machen, endlich auch die Fünfer-Schachtel öffnen, endlich mehr als 200 Punkte machen. Das kann ich am besten ohne euch. Will doch sowieso niemand neben mir sitzen und Plättchen nach meiner Anleitung legen.
Und die Erkenntnis des Tages: Ich mag nicht solo spielen, außer DORFROMANTIK. Aber nur analog. Ist mir noch nie passiert! Bin ich dann ein Romantiker?

Wolfgang Friebe

Michael Palm und Lukas Zach: DORFROMANTIK: DAS BRETTSPIEL für 1 – 6 Personen ab 8 Jahren mit Illustration von Paul Riebe bei Pegasus Spiele 2022, Spiel‐ dauer 30 – 60 Minuten, Made in China