Fairplay 137 – Rezension: Cubitos

Würfelrennen mit Boxengasse

Nur die Fankurve ist rund. Alles andere ist, wenn schon nicht in Würfelform, dann doch wenigstens quadratisch: Spielfiguren, die Felder der Rennstrecke, die Aufbewahrungsboxen, die zugleich als Würfelablage dienen. Denen ist die meiste Aufmerksamkeit gewiss. Wo ist hier oben, wo unten? An welcher Seite sind diese zu öffnen? Wer hat die Boxen so komisch zusammengebaut? In meiner Spielerunde entbrannte eine heftige Diskussion. Da gerät das Thema des Spiels erst einmal in den Hintergrund. Aber dann doch irgendwann die Frage: Worum geht es eigentlich? Die Antwort ist schnell gegeben: Der jährliche Cube-Cup auf CUBITOS steht an, in diesem Rennspiel die Nase vorne zu haben, zuerst die Ziellinie zu überqueren. Neben einer Portion Glück sind Mut und das richtige Händchen beim Zusammenstellen der Würfel-Crew gefragt. Der Dice-Building-Mechanismus gepaart mit einem Push-your-luck-Element beim Würfeln sorgen für die Würze in diesem Rennen.

Würfeln, Laufen, Kaufen

Vor Rennstart ist ein erstes Hindernis zu überwinden: Die Spielregeln. Selten habe ich beim Lesen einer Spielregel so wenig vom Spielablauf verstanden wie hier. Was muss ich tun? Wie ist die Reihenfolge? Zum Glück stellt sich beim Spielen heraus, dass der tatsächliche Spielablauf wesentlich einfacher ist als vermutet. Nach zwei bis drei Runden rollen die Würfel fast wie von selbst.

Aber genug geredet – es geht los! Und würfeln. Alle Würfel, die keine leere Seite zeigen, sind Treffer und werden in den Aktionsbereich verschoben. Danach muss ich neu überlegen: Die restlichen Würfel noch einmal würfeln oder passen? Passe ich, sind mir meine gewürfelten Aktionen sicher, aber ich habe eventuell zu wenig Möglichkeiten in den weiteren Phasen der Runde. Würfle ich noch einmal, habe ich die Chance, mehr Aktionen zu würfeln. Aber es gibt natürlich auch einen Haken bei der Sache: Liegen bereits drei Würfel in meinem Aktionsbereich, bin ich in Gefahr. Sind im folgenden Wurf alle Würfel ohne Treffer, ist die Runde für mich beendet. Ein schwacher Trost ist es, dass meine Beliebtheit steigt und ich auf der am Rande der Strecke aufgebauten Fankurve einen Platz nach vorne rücke. Dadurch erhalte ich je nach Feld zusätzliches Geld oder mein Würfellimit erhöht sich. Das ist der typische Aufholmechanismus für alle Pechvögel.

Habe ich erfolgreich nachgewürfelt, stellt sich mir die Frage erneut. Sobald alle noch im Rennen befindlichen Teilnehmer gepasst haben, werden die Aktionen der Würfel ausgeführt. Zuerst werden die Unterstützungsaktionen der bunten Würfel durchgeführt. Neben zusätzlichen Schritten oder Münzen für die nächsten Phasen gibt es z.B. Würfel, die mir erlauben, schwächere Würfel aus meinem Pool zu entsorgen, zusätzliche Würfel oder Kreditplättchen zu erhalten oder Plätze auf der Fankurve nach vorne zu rücken. Insgesamt liegen pro Spiel 8 der insgesamt 56 Unterstützungsteams mit verschiedenen Aktionen aus.

Nun zähle ich meine erhaltenen Schritte und Münzen jeweils zusammen, laufe auf dem Rennplan die entsprechende Anzahl an Feldern vor und kaufe im nächsten Schritt für mein Geld neue Würfel. Nicht ausgegebene Münzen verfallen, lediglich die als zusätzliche Münzen einsetzbaren Kreditplättchen sind frei einsetzbar. Nicht alle Aktionen werden in der Unterstützungsphase ausgeführt, je nach Würfel aktiviere ich meine Aktionen auch sofort nach dem Wurf oder während der Wurfphase. Dies ist neben den Kosten und der Beschreibung der Aktion(en) auf den jeweiligen Karten zu den Würfeln angegeben. Alle eingesetzten und gekauften Würfel werden in die Ruhezone gelegt. Zu Beginn der nächsten Runde werden aus dem Nachschub so viele Würfel in die Bereitschaft gelegt, wie das Würfellimit erlaubt. Kann ich die Bereitschaft damit nicht vollständig auffüllen, rücken alle Würfel aus der Ruhezone in den Nachschub.

So versuchen wir von Runde zu Runde durch den Kauf neuer Würfel und dem taktisch klugen Vorwärtsgehen auf dem Spielplan uns der Ziellinie zu nähern. Manch aufgedruckte Boni verlocken nicht den kürzesten Weg zu gehen, sondern Umwege zu wagen. Geht das Rennen anfangs gefühlt nur im Schneckentempo voran, nimmt mit der Anzahl der zur Verfügung stehenden Würfel die Renngeschwindigkeit zu. Und am Ende? Da gewinnen immer die anderen und ich komme mit mal mehr, mal weniger großem Abstand ins Ziel.

Wer gerne das Heft beim Spielen in der Hand hat und sich Strategien zurechtlegen möchte, wird mit CUBITOS nicht glücklich werden. Wer Würfelspiele mag und damit leben kann, auch mal den kürzen zu ziehen, der wird seinen Spaß haben. CUBITOS ist ein Glücksspiel, und wenn das Würfelglück mir nicht hold ist, habe ich kaum Chancen zu gewinnen. Ob ich für meinen Mut belohnt oder bestraft werde, liegt nicht in meiner Hand. Ebenso wenig, welche Würfelseiten am Ende oben liegen. Auf der anderen Seite: Wer nicht riskiert, der nicht gewinnt. Und wenn ich zu wenig Würfel oder die falschen Kombinationen kaufe, muss ich mir dann doch an die eigene Nase fassen. Dass ich, obwohl ich in all meinen bisherigen Partien den letzten Platz belegt habe, dennoch Spaß beim Spielen hatte, spricht für das Spiel. Ebenso, dass fast alle meine Testrunden ein positives Fazit zogen. Dies ist nicht zuletzt dem Push-your-luck-Mechanismus zu verdanken, der eine gewisse Spannung ins Spiel bringt. Etwas enttäuschend waren dagegen die einzelnen Aktionsmöglichkeiten der verschiedenen Würfel. Diese erscheinen zu einem großen Teil doch recht schwach, auch im Hinblick darauf, dass die Chance, eine solche zu würfeln maximal bei 1/3 liegt.

Empfohlen wird das Spiel ab 10 Jahren, doch ein achtjähriger Mitspieler in einer meiner Testrunden ist uns mit ein wenig Unterstützung bei den Abläufen locker davongerannt. Für Familien mit Kindern eine klare Empfehlung, da hier das vorhandene Altersungleichgewicht durch den Glücksfaktor abgemindert wird. Neben den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten beim Zusammenstellen der Unterstützungsteams sorgen vier verschiedene Rennstrecken für langanhaltenden und abwechslungsreichen Spielspaß.

Und wie war das jetzt mit den Aufbewahrungsboxen? Nach Rennende werden die Schachteln noch einmal kritisch beäugt. Wir müssen unsere Meinung vom Anfang revidieren. Die Boxen sind richtig zusammengebaut. Es steckt System hinter dem Ganzen. Und es herrscht Einigkeit: Am Boden lassen sich die Schachteln leichter öffnen. Auch wenn die Spielregel etwas anderes vorgibt.

Sandra Pesavento

John D. Clair: CUBITOS für 2 – 4 Personen mit Illustration von Jacqui Davis, Philip Glofcheskie, Ryan Iler bei Pegasus Spiele 2021, Spieldauer 30 – 60 Minuten