Fairplay 109: Brettspiele in Online-Portalen

Update: Artikel im Mai 2020 aktualisiert

Update: Jan Drewitz war mit diesem Artikel für den Alex-Medienpreis 2015 nominiert.

Gestern Nacht spielte ich in Berlin mit meinem Bruder, der gerade in Vietnam arbeitet, TZOLK´IN. Da er aber leider gegen 1 Uhr zur 8 Uhr-Schicht los musste, beendeten wir dann vorerst das Spiel. Beim Abschied verabredeten wir noch, dass sich einer von uns das Spiel kaufen sollte, damit wir es spielen können, wenn wir uns im nächsten Monat nach über einem Jahr wiedersehen.

Was sich wie ein Oxymoron im Stil von „Dunkel war´s, der Mond schien helle …“ anhört, hat sich tatsächlich so zugetragen, das Internet macht´s heute möglich. Im digitalen Zeitalter braucht man eben nicht einmal für Brettspiele einen Tisch. Ein Computer und ein Internetbrowser reichen vollkommen. Nachts um 2 Uhr noch unbändige Lust auf eine kurze Partie HAWAII und merkwürdigerweise gerade keine Mitspieler zur Hand? Kein Problem, auch dies wird via Internet gelöst. Gibt es nicht 7 Milliarden Menschen auf der Erde? Es wäre schon merkwürdig, wenn nicht irgendjemand da draußen gerade jetzt ebenfalls Zeit und Lust dazu hätte.

Es kann verschiedenste Gründe geben, Brettspiele in Online-Portalen zu spielen: Ein Spiel ausprobieren zu wollen, bevor man es kauft (RALLYMAN GT); die Sucht nach einem Spiel stillen, die bei allen anderen schon erloschen ist (HALALI!); mit Profis Partien in kürzester Zeit durchkloppen (DOMINION); spielen, wenn die Freunde längst schlafen (IM WANDEL DER ZEITEN); die Regelschwachstelle finden (A FEW ACRES OF SNOW). Es gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, Brettspiele mit bekannten oder unbekannten Mitspielern via Internet zu spielen. Neben einigen Internetseiten, auf denen man nur ein einziges oder nur eine kleine Anzahl Brettspiele spielen kann, existieren mit der Brettspielwelt (BSW) und Yucata zwei deutsche sowie mit der Boardgamearena (BGA) und Boite à jeux (Baj) zwei französische Internetseiten, auf denen eine Vielzahl an Brettspielen verfügbar ist und regelmäßig neue oder ältere Brettspiele hinzukommen. Doch wer steckt eigentlich hinter diesen Internetseiten und wie finanzieren sie sich? Worin bestehen die Unterschiede und wie sind sie aufgebaut? Wir haben nachgefragt, sowohl bei den Online-Portalen als auch bei den Verlagen. Wagen wir uns an eine kleine Bestandsaufnahme.

The developer must really, really love the game!

Gemein ist allen vier, dass zur Nutzung ein ganz normaler Internetbrowser ausreicht. Wer nun aber denkt, zwei, drei Klicks würden genügen, um sofort losspielen zu können, der irrt. Auf allen vier Seiten benötigen die Nutzer ein bisschen Übung, um ein Spiel zu starten, jemanden zu einem Spiel einzuladen, bestimmte Spieleinstellungen festzulegen – so richtig intuitiv kann man die Menüführung auf allen Portalen (noch immer) nicht bezeichnen. Das Portal mit der geringsten Einstiegshürde ist wahrscheinlich Baj.

Größter struktureller Unterschied zwischen den Portalen ist die asynchrone oder synchrone (oder „realtime“) Spielweise: Brettspiele auf Yucata und Baj sind auch über einen längeren Zeitraum spielbar. Wenn der Spieler seinen Zug beendet hat, wird der nächste Mitspieler per E-Mail benachrichtigt, so dass dieser nun seinen Zug ausführen kann und so weiter (asynchrone Spielweise). So können Partien Tage und Wochen dauern, und es ist nicht selten, dass manche Spieler an über 30 verschiedenen Spielpartien gleichzeitig beteiligt sind. BGA und BSW setzen dagegen auf Echtzeit-Spiele (die BGA bietet beides an): Wie in einer Spielerunde zu Hause wird ein Spiel an einem Abend begonnen und in Echtzeit zu Ende gespielt. Natürlich kann ein asynchrones Spiel auch „realtime“ gespielt werden – das Programm braucht nur meist ein wenig länger, um den Spielerwechsel zu vollziehen, und meist muss dem Mitspieler kommuniziert werden, dass man seinen Spielzug beendet hat, damit dieser den Aktualisierungs-Button betätigt. Als zahlendes Mitglied bei Baj aktualisiert das Programm sogar automatisch: So ist es ohne Probleme möglich, das Spiel erst tagelang asynchron zu spielen und die letzten beiden Runden in Echtzeit. Egal auf welchem Portal, während der Partien besteht überall die Möglichkeit, mit den Mitspieler über einen spielinternen Chat in Kontakt zu treten – da man auf Spielerinnen und Spieler aus allen Teilen der Welt treffen kann, erfolgt die Kommunikation meist auf Englisch, wobei die BGA sogar einen automatischen Übersetzungsdienst zur Verfügung stellt.

Im Gegensatz zu den anderen Portalen besitzt die BSW zusätzlich noch ein „Spiel im Spiel“, ein sogenanntes Metaspiel, in welchem man mit den anderen Spielern auch abseits der Online-Brettspiele in Kontakt tritt. Wer möchte, wird Bürger einer der vielen virtuellen Städte, lässt sich zur Bürgermeisterin wählen oder tritt bei Spieleturnieren gegen andere Städte an. Aber das Metaspiel links liegen zu lassen ist natürlich auch möglich. Als Konkurrenten betrachten sich BSW, Yucata, BGA und Baj nicht. Sebastian Mellin von der BSW begrüßt die anderen Seiten vielmehr als Beitrag zur Verbreitung des Brettspiels. Johann Koitka von Baj sieht Vorteile: Die Spieler im Netz würden von der großen Auswahl an Möglichkeiten profitieren, und die Spieleentwickler einer Seite durch die anderen Portale noch mehr angespornt, die eigene Seite und die Spiele besser zu machen. Die Dauer der Onlineumsetzung eines Brettspiels ist bei allen Seiten sehr unterschiedlich, von einigen Stunden bis hin zu Jahren ist alles dabei. Simple Spiele können in der BGA im eigenen Spiele-Entwicklungsstudio in 10-20 Stunden erstellt werden, für ein Schwergewicht wie AGRICOLA ist da mehr nötig: Baj brauchte 1.000 Stunden – ohne Tests und Übersetzung. Circa sechs Monate sind da meist ein realistischer Zeitraum für eine Umsetzung. Die Auswahl, welche Spiele umgesetzt werden sollen, wird nicht nur von der Spielmechanik eingeschränkt, sondern auch vom Spielkonzept der Portale. Aufgrund der asynchronen Spielweise bei Yucata und Baj scheiden Spiele mit viel Interaktion oder vielen kleinen wechselhaften Aktionen, wie etwa Bietphasen, meist aus, auch wenn sie technisch umsetzbar wären. Technisch umsetzbar ist sowieso das meiste, wenn das Spiel nur widerspruchsfreie Regeln hat. Spiele, die von Spielerkommunikation oder haptischen Elementen leben, werden aus naheliegenden Gründen eher selten umgesetzt, DIXIT ist auf Baj überraschenderweise trotzdem ein großer Erfolg.

Eines der wichtigsten Kriterien für die Auswahl eines umzusetzenden Spieles ist, dass der Entwickler es mag. Besonders an dieser Stelle des Prozesses ist viel Kommunikation gefragt, erzählt Kay Wilke von Yucata. Verlage bieten ihm Spiellizenzen an, im Forum von boardgamegeek.com kann man ihm Vorschläge unterbreiten, welche Spiele zu Yucata passen könnten. Gleichzeitig hat er Spieleentwickler, die in ihrer Freizeit programmieren und selbst eigene Ideen und Spielwünsche haben: „Ich versuche dann zu vermitteln. Kann ich für einen Entwickler eine bestimmte Lizenz klarmachen? Kann ich einen Entwickler für eine bereits vorliegende Lizenz begeistern? Es ist nicht zu unterschätzen, wie viel Zeit in diese Vermittlungsarbeit fließt“, so Wilke. Gregory Isabelli von BGA ist überzeugt: „The developer must really, really love the game! Nur wenn du eine Sache wirklich liebst, kannst du etwas herstellen, was auch andere lieben. Ein Spiel kann lang, schwierig und schwer umzusetzen sein, aber wenn der Entwickler seine Leidenschaft für ein Spiel mit anderen teilen möchte, dann wird er einen Weg finden.“

Finanzierung: ehrenamtlich vs. ???

Nur die BSW und Baj finanzierten 2014 mit ihren Einnahmen Arbeitsplätze. Yucata und die BGA werden dagegen vollkommen ehrenamtlich umgesetzt, Baj mittlerweile auch nur noch. Dies ist erstaunlich, denn das professionelle Auftreten aller vier Seiten benötigt viel Zeit und auch Geld. Die Kosten sind kein Pappenstiel. Allein für die Server benötigen Yucata und Baj 2014 ein paar Tausend Euro pro Jahr, bei den anderen Portalen werden es ähnliche Summen sein. Spätestens an diesem Punkt wird deutlich, dass alle ein Einkommensmodel benötigen. Denn wer hat erstens Lust, viel Zeit in eine Internetseite für andere zu stecken und anschließend auch noch die anfallenden Kosten selbst zu tragen?

Während Yucata, Baj und BGA auf Spenden oder Mitgliedsbeiträge setzen, die nette Features freischalten, aber vor allem symbolischer Natur sind, versucht die BSW einen etwas anderen Ansatz. Die BSW GmbH kann vor allem deshalb finanziell bestehen, weil sie an anderen Projekten wie playcatan.com beteiligt ist. Zusätzlich erhält sie wie Baj Einahmen für den Spieleeinkauf in Partnershops und durch Fan-Merchandise, wie bspw. T-Shirts. Seit 2004 fordert die BSW außerdem von den Verlagen, deren Spiele online umgesetzt werden, eine finanzielle Unterstützung. Als Queen Games dies ablehnte, wurden DER PALAST VON ALHAMBRA und METRO von der Seite genommen. Mittlerweile ist mit KINGDOM BUILDER wieder ein Spiel von Queen Games online verfügbar – ob dafür nun doch Geld fließt, konnte nicht ermittelt werden. Wie hoch der Betrag dieser finanziellen Unterstützung ist, der die BSW von den Verlagen verlangt, war weder seitens der BSW noch von den Verlagen in Erfahrung zu bringen. Von einem kleinen Verlag wurde berichtet, dass von der BSW ca. 10.000 Euro für ein Spiel gefordert worden seien. Auf unsere Anfrage wies die Brettspielwelt diese Aussage jedoch als unwahr zurück.

In Internetforen kam immer wieder die Frage auf, warum die BSW nicht auf ein Modell mit Mitgliedsbeiträgen umschwenken könnte, damit die bestehende Veröffentlichung eines Spieles nicht auch noch von einem finanziellen Beitrag des Verlages abhängig sei. Auf der Internetseite der BSW heißt es hierzu jedoch: „Insbesondere versuchen wir auch Nichtspielern durch das Medium Internet das Brettspielen näherzubringen. Aus diesem Grund ist der Zugang zur BrettspielWelt kostenlos, damit nicht nur bereits eingefleischte Brettspieler erreicht werden“.

Happy Meeple fürs Smartphone

Weder Mitgliedbeiträge, noch finanzielle Forderungen an die Verlage stellt die Internetseite Happy Meeple. Kreiert hat sie 2012 der in England lebende Franzose Nicolas Guibert. Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Plattformen wirkt sie sehr viel durchkommerzialisierter und erinnert eher an eine hippe Start-up-Seite, die auf schnellen Gewinn durch Nutzer und Nutzerdaten und anschließend viel Geld aus ist: Fünf Brettspiele werden angeboten, aber nur LOST CITIES und FINITO können gleich gespielt werden. Die anderen Spiele (darunter SIBERIA und KELTIS OR, eine nur dort spielbare Variante von KELTIS) können erst in Angriff genommen werden, wenn die Spieler über genügend virtuelle Nahrung verfügen oder mit virtuellem Geld freigeschaltet haben, welches sie sich durch Facebook-Likes, Bannerverlinkung auf eigenen Webseiten verdienen oder eben durch echtes Geld erkaufen können. Wer mehrere Spiele am Stück spielen möchte, der muss ebenfalls erstmal in die Tasche greifen und ein paar Euros locker machen oder kontinuierlich in ein Metaspiel einsteigen: Auf einer Weltkarte können wir in unserem eigenen kleinen Reich Gebäude, Felder und Straßen platzieren, die uns wiederum Rohstoffe einbringen. Einigen Menschen scheint das Spaß zu machen, anderen geht da der Spielspaß verloren: Wollte ich nicht eigentlich Zeit mit einem Brettspiel verbringen, anstatt virtuelle Welten anzulegen, die mir das Angestrebte erst ermöglichen? Hinzu kommt, dass die Computergegner sehr schlecht sind und man nur sehr, sehr selten einen realen Gegner erwischt. Oft kommt dem Nutzer auch das Mischergebnis des Programmes merkwürdig vor: Alle zugelosten acht Start-Handkarten bei Lost Cities sind Multiplikatorkarten!? Schlecht gemischt würde man da normalerweise sagen, doch was sagt man, wenn dir ein Programm diese Karten zulost?

Happy Meeple richtet sich mit Sicherheit nicht an Brettspiel-Vielspieler, da es weder mit komplexen Brettspielen noch mit frei verfügbaren guten Computergegnern aufwarten kann. Eher hat die Webseite die von Onlinespielen besessene Zielgruppe im Blick, die mal eben in der S-Bahn zwei, drei leichte Spiele durchspielt, sich nebenbei durch die Sozialen Netzwerke klickt und sich in diesen auch gerne mit Freunden mit Highscores misst. Auch wenn Happy Meeple damit äußerlich nach „schnellem Kommerz“ aussieht, stört es Reiner Stockhausen, Chef von dlp-games, nicht, dass er für sein dort bereitgestelltes Spiel SIBERIA kein Geld von den Betreibern erhält: „Die Einnahmen werden aufgrund der Nutzerzahlen noch sehr gering sein. Selbst wenn ich dort beteiligt wäre, würde das kaum 50 Euro im Jahr ausmachen. Von außen wirkt Happy Meeple vielleicht durchkommerzialisiert, aber die Einnahmen sind im Verhältnis zum Aufwand Peanuts.“

Happy Meeple versucht also ein weiteres Einkommensmodel, um eine Brettspielonlineplattform finanziell betreiben zu können. Die niedrige Einstiegshürde von drei, vier Klicks bis zum ersten Spiel, die kurzen Spieldauern und vor allem das durchgestylte Design, welches sich nur unwesentlich von anderen Game-Seiten unterscheidet, besitzt aber auch die Chance, Gelegenheitsspieler anzusprechen, die mit der Brettspielszene ansonsten keine Berührungspunkte haben, findet Stockhausen: „Insofern ist Happy Meeple vielleicht sogar noch wichtiger, um das Kulturgut Spiel zu fördern, weil es von den Casual Games auf die ,wertvolleren‘ und interessanteren Brett- und Kartenspiele hinleitet“.

Apps sind teuer – Online-Brettspiele kosten die Verlage (fast) nichts

Dass sich ein Verlag mit einem Spiel für Geld in eine der vier Brettspiel-Portale „einkauft“ und nur dadurch dort platzieren kann, kommt bei Yucata, BGA und Baj so gut wie nie vor, alle könnten sich dies aber unter bestimmten Bedingungen vorstellen: „Es ist schwer zu sagen, wie viel so etwas kosten würde, das würde natürlich auch vom Spiel abhängig sein, aber es würde wahrscheinlich sehr viel weniger als eine iApp kosten“, rechnet Johan Koitka von Baj. Es gab sogar mal eine Kickstarter-Kampagne für ein Spiel, bei der eine Umsetzung auf Yucata versprochen wurde, wenn das vorgegebene finanzielle Ziel erreicht würde, dabei war dies mit dem Portal gar nicht abgesprochen. Da die Finanzierung dann scheiterte, erledigte sich dies aber von selbst.

Auf den ersten Blick erscheint es mehr als seltsam, dass die Verlage nicht nur kein Geld dafür erhalten, dass ihre Brettspiele online frei verfügbar sind, sondern z.T. auch noch dafür draufzahlen müssen, so wie dies bei der BSW der Fall ist. Das hat viel damit zu tun, dass die meisten Verlage es als gute Werbung ansehen: „Auswirkungen lassen sich nur sehr schwer messen, wir gehen aber von positiven Effekten aus, was die Verbreitung und das Image unserer Spiele angeht“, erzählt Dirk Geilenkeuser vom Hans im Glück Verlag. So mancher entdeckte erst über die Online-Variante seine Liebe zu einem bestimmten Brett- oder Kartenspiel und kauft es sich dann auch, das sehen vor allem die Macher hinter den Portalen so: „Das sehe ich zum Beispiel daran, mit welchen Spielen User zu unseren wirklichen Treffen kommen. Dort bringt ein Großteil der User überwiegend Spiele mit, die es bei uns auch online gibt“, berichtet Sebastian Mellin von der BSW. Nur sehr wenige Verlage haben die Sorge, dass die Spieler ein Spiel nicht mehr kaufen werden, wenn sie es gleichzeitig kostenlos im Internet spielen können. Ablehnungen auf Lizenzanfragen gibt es daher bisher nur wenige. Gerade für kleine Verlage, die kein Geld für Werbemaßnahmen besitzen, stehen Onlineversionen oft sehr offen gegenüber. Überwiegend erhalten die Portale diese Lizenzen bis auf Widerruf – der dann aber meist nie kommt. Das erscheint erst einmal merkwürdig, denn ist nicht die Gefahr viel zu groß, erst Hunderte von Freizeitstunden in ein Spiel investiert zu haben, um dann schon nach einem Jahr wieder die Lizenz zu verlieren? Doch auch hier ist schnell klar, dass ein Verlag mit solch einer Aktion höchstens ein Eigentor schießen würde, schließlich wird das Portal sich beim nächsten Mal sehr gut überlegen, ob man unter solchen Bedingungen noch einmal ein Spiel dieses Verlages umsetzen möchte. Überraschenderweise erstrecken sich diese Lizenzen auch in fast allen Fällen auf das gesamte Spiel. Nur in ganz wenigen Fällen dürfen nur Teile eines Spieles umgesetzt werden, damit der Anreiz, das Spiel hinterher im Laden zu erstehen, erhöht wird. Bei DOMINION standen in der BSW beispielsweise nicht alle Karten der Erweiterungen zur Verfügung.

Dass immer wieder auch Brettspiel-Highlights des aktuellen Jahrgangs wie bspw. RUSSIAN RAILROADS oder BRUXELLES 1893 schon im Juni nach ihrem Erscheinen auf der SPIEL in Essen online gehen und kostenlos spielbar sind, hat möglicherweise auch viel mit den hohen Entwicklungskosten für Apps zu tun. Denn inzwischen sehen viele Verlage eine echte Chance, auch digital mit ihren Spielen Geld zu verdienen, denn Spiele für zwischendurch auf dem Smartphone boomen. Wilke von Yucata sieht die Gefahr, dass besonders die „Blockbuster-Spiele“ dadurch immer seltener für eine kostenlose Onlineversion zur Verfügung stehen. Solange diese Apps aber nur für hohe Entwicklungskosten erhältlich sind, lohnt es sich mehr, den Onlineportalen die Lizenzen kostenlos zu geben und auf weitere Publicity zu hoffen. Reiner Stockhausen von dlp-games schätzt die Entwicklungskosten für ein Spiel wie Siberia auf der Plattform Happy Meeple, die vergleichbar mit denen von Apps sind, auf ca. 20.000 Euro. Da leuchtet es ein, dass viele Verlage über die kostenlose Werbung mehr als froh sind und nicht viel Geld in eine App investieren, bei der völlig ungewiss ist, ob das Geld jemals wieder eingespielt werden kann.

50.000 Partien täglich – 3,5 Menschen konnten 2014 davon leben

Die Suche nach einem guten und vernünftigen Finanzierungsmodell scheint auch bei Brettspielumsetzungen im Internet nicht abgeschlossen, wobei dies nicht verwunderlich ist. Wenn schon im Musik, Film- und Serienbereich, in dem die Anzahl von potenziellen Nutzern und Konsumenten um ein Vielfaches höher ist, nach jahrelangen Diskussionen weiterhin völlig unklar ist, wohin die Reise zu einem gerechten Bezahlsystem gehen soll, dann wäre es merkwürdig, wenn es im viel, viel kleineren Brettspielsegment anders wäre. Hier kollidieren die beiden typischen Internetzeitalter-Phänomene: unbezahlte Arbeit aus Leidenschaft, welche vielen nutzt (vgl. Wikipedia) sowie eine kaum vorhandene Zahlungsbereitschaft der Nutzer für digitale und immateriell verfügbare Gegenstände (vgl. das allgemeine Filesharing). Einerseits wurden 2014 ca. 50.000 Partien täglich auf allen vier hier vorgestellten Seiten insgesamt gespielt, andererseits konnten davon gerade einmal 3,5 Menschen leben. Wobei dies natürlich auch daran liegt, dass Seiten wie BGA und Yucata eben als Hobby betrieben und durch eine Community unterstützt werden. Ohne eine solche Community könnten diese in ihrer jetzigen Form nicht existieren. Ähnlich wie Wikipedia garantiert eine Anzahl Menschen mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit und Spenden ein frei verfügbares Gut, von dem noch mehr Menschen profitieren.

Aus diesen unterschiedlichen Finanzierungsmodellen könnten sich dennoch zwei Probleme entwickeln: Es ist fraglich, wie lange das Finanzierungsmodell der BSW noch funktionieren kann, wenn Echtzeit-Spiele – das bisherige Alleinstellungsmerkmal der BSW – inzwischen bei Baj und BGA genauso gut zu bekommen sind, allerdings mit mehr und attraktiveren Brettspielen für Vielspieler. Irgendwann könnten sich die Verlage fragen, warum sie Geld bezahlen sollen, wenn sie es woanders auch umsonst bekommen. Gleichzeitig ist aber gar nicht sicher, ob diese anderen Modelle in ihrer jetzigen Form langfristig weiter existieren können. Hoffen wir, dass sie sich nicht gegenseitig kaputt machen. Yucata besitzt eine langjährige Kontinuität und scheint nicht gefährdet, BGA und Baj dagegen waren in der Professionalität die sie 2014 besaßen, neu. Wie lange Baj diesen Stand halten kann, hing damals extrem von der Mitgliederentwicklung ab, der Erfolg der BGA wird sehr von der unterstützenden Community abhängen. Es wird spannend bleiben – und die Nutzer werden mit ihrer (finanziellen) Unterstützung und Wahl der Plattform ein kleines bisschen mitreden können.

Warum aber boomen trashige Online-Games, während Online-Brettspiele dagegen noch immer ein Nischenprodukt sind? Warum spielen die Menschen morgens in der U-Bahn „Angry Birds“, „Farmville“ und die „Candy Crush Saga“ (letzteres spielten 2013 laut Appdata.com ca. 53 Millionen Menschen täglich bei Facebook) – warum checken die Menschen nicht in derselben Zeit ihre TZOLK´IN-, AGRICOLA- oder RUSSIAN RAILROADS-Partie? Dirk Geilenkeuser von Hans im Glück macht dafür die im Vergleich zu vielen anderen Onlinespielen hohe Einstiegshürde von Brettspielen verantwortlich. Außerdem würde in die Online-Games viel Geld für Werbung auf Internetseiten und im Fernsehen gesteckt. Ob sich bei entsprechender Werbung etwas für die vier Onlineportale ändern würde? Denn vergleichsweise wenig Arbeit stecken alle vier Portale in die Bewerbung ihrer Seiten: Kleine Informationen auf den bekannten Internetseiten wie boardgamegeek.com oder Trictrac, eine Notiz bei Facebook – die Betreiber vertrauen auf ihren Bekanntheitsgrad in der Brettspielszene. Aber selbst wenn sie gute Ideen für gezielte Werbung hätten, Geld wäre sowieso nicht dafür da.

Online-Brettspiele erleichtern die Materialschlacht

Brettspiele online zu spielen kann sehr praktisch sein, vor allem bei opulenten Material- und Verwaltungsspielen: Doch natürlich verändert sich auch das Spielgefühl. Wo ich bei vielen Spielen nur ungefähr einschätzen kann, wie es punktemäßig um mich steht, da erst am Ende eine Endabrechnung stattfindet, zeigt mir manches Programm jederzeit knallhart die Punktestände an – da fallen manche „aus-dem-Bauch-heraus-Spielzüge“ flach. Praktisch ist es, wenn ich auf einen Blick meine Rohstoff-Bestände vor Augen habe und nicht ständig nachzählen muss. Trotzdem geht nicht wenigen Spielen etwas verloren, wenn wir ständig den aktuellen Punktestand vor uns haben. Brettspielen wie beispielsweise LOST CITIES, ALHAMBRA oder TZOLK´IN, kommt aus meiner Sicht eine gehörige Portion Spielreiz durch die Endwertung zu.

Vergleichen könnte man die Endwertung eines Brettspiels mit dem retardierenden Moment im Handlungsverlauf des klassischen Drama des Theaters: Der Höhepunkt des Spiels ist vorbei, durch eine bewusste Handlungsverzögerung wird noch einmal Spannung aufgebaut, obwohl für die Protagonisten keine Möglichkeit mehr besteht, den nun schicksalhaften Ausgang noch zu beeinflussen, da längst alle Weichen gestellt wurden. Im Online-Brettspiel fällt aber dieser Moment weg: Wir wissen das ganze Spiel über, wie viele Punkte jeder sein eigen nennen kann, und bei Spielende ist sofort sichtbar, wer gewonnen und wer verloren hat. Das ist, als wenn Romeo und Julia gleich, nachdem sie erfahren, dass Julia den Paris heiraten soll, sich gegenseitig umbringen, – die finale Spannung wäre dahin. Wie groß kann die Freude und auch die Überraschung sein, wenn sich nach einer Partie TZOLK´ IN oder NATIONS im Laufe der Endwertung immer mehr abzeichnet, dass der erwartete Ausgang völlig falsch war, dass der vermeintliche Sieger plötzlich Letzter und weit abgeschlagen ist. Auch dafür spielen wir – ich meine sogar zu einem nicht unerheblichen Teil. Natürlich könnte ich auch bei LOST CITIES Runde pro Runde meine Punkte und die meines Mitspielers ausrechnen. Aber das mache ich nicht, weil es einerseits zu anstrengend und andererseits auch gar nicht nötig ist. Es reicht, wenn ich per Bauchgefühl ungefähr weiß, wie es um mich steht – der Rest ist Spannung für die Wertung. Das Online-Brettspiel macht es dagegen kurz und schmerzlos. Piep, da habt ihr die Punkte: „Spieler 1 hat gewonnen“ – da geht einiges verloren. Ich würde mir daher wünschen, dass man bei Online-Brettspielen einerseits die Möglichkeit hätte, den permanenten automatischen Zähler deaktivieren zu können (außer wenn im normalen Brettspiel ebenfalls Zwischenwertungen existieren), um erst ganz am Ende die Endwertung durchzuführen. Für diese würde ich mir andererseits die Möglichkeit wünschen, dem Programm sagen zu können, in welcher Reihenfolge er die Wertungsgegenstände und die Spieler abrechnen soll – zumindest mir würde dies einen erheblichen Spannungsgewinn bringen.

Online-Brettspiele bieten einige Vorteile und Möglichkeiten. Trotzdem wird man sich keine Sorgen machen müssen, dass die Spieler von ihren flimmernden Kisten nicht doch immer wieder an ihre Wohnzimmertische zurückkehren, so wie die Communities von BSW und Baj, die sich im Netz auch regelmäßig für Spieletreffen in der Wirklichkeit verabreden. Johan Koitka von Baj: „Ich persönlich habe nur selten ein oder zwei Stunden Zeit zum Spielen. Aber wenn ich sie habe, dann spiele ich mit meinen Freunden an einem Tisch!“

Jan Drewitz

Dieser Text erschien in der 109. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 24 Euro im Jahr.


Brettspielwelt

Die BSW ist wahrscheinlich die bekannteste deutsche Plattform für Online-Brettspiele. Brettspiel-Highlights unter den aktuell 61 verfügbaren Spielen sind u.a. 7 WONDERS, CARCASSONNE, CAYLUS, PUERTO RICO, FUNKENSCHLAG und KINGDOM BUILDER, aktuelle Neuheiten die beiden Spiele DIE CREW, HADARA und GÖNNEN KÖNNEN. Zusammengefasst: Bei der BSW finden sich die „Post-CATAN-Klassiker“ und ein paar wenige Neuheiten. Eben das, was sich bewährt hat. Die Zahlen der aktiven Nutzer*innen ist seit 2014 leicht gesunken. Spielten 2014 ca. 30.000 aktive Nutzer*innen pro Monat ca. 25.000-30.000 Partien täglich, so waren es Anfang diesen Jahres nur noch 25.000 aktive Nutzer*innen pro Monat, die 5000 Partien zocken. Das ist bei den täglichen Partien schon ein deutlicher Rückgang für die 2014 weltweit führende Plattform. Seit Mitte März gab es einen starken Anstieg: Im April beendeten über 53.000 Nutzer*innen ein Spiel. An manchen Tagen waren bis zu 5000 Nutzer*innen gleichzeitig online und bis zu 15.000 insgesamt an einem Tag. Im April wurden über 430.000 Spiele beendet, das entspricht über 14.000 Partien pro Tag. Obwohl diese Zahlen noch unter denen von 2014 liegen, musste die BSW in Folge des Anstieges Hardware aufrüsten und die Software weiterentwickeln, um dem Anstieg gerecht zu werden. Sebastian Mellin von der BSW ist zufrieden: „Seit Mitte/Ende April ist wieder alles im Lot!“

Die Ursprünge der BSW sind um das Jahr 1998 angesiedelt. Nach endlosen Partien DIE SIEDLER VON CATAN zogen Alexander Zbieks Mitspieler in andere Städte. Also kreierte er von Teubers Spielehit neben seinem Uni-Job als Nachtoperateur im Leibniz-Rechenzentrum der Münchner Hochschulen während seiner Schichten eine Onlineversion in der neuen Programmiersprache Java, um seine Spielerunde zumindest digital zusammenzuhalten. Doch es sprach sich bald herum, dass es da eine SIEDLER-Onlineversion gab, die über die Webadresse des Rechenzentrums lief. Angefixt von dem Erfolg programmierte Zbiek schnell weitere Spiele. Mittlerweile wird die BSW von 2,5 festen Arbeitsplätzen betreut, wobei diese auch an anderen Projekten sitzen, denn die BSW ist inzwischen eine GmbH. Anfangs fragte Alexander Zbiek die Verlage nicht einmal an, ob er eine Onlineumsetzung ihrer Brettspiele kostenlos im Internet veröffentlichen könne. Als 1998 CATAN: DIE ERSTE INSEL als Computerspiel auf den Markt kam, mit dem das Spiel ebenfalls online gespielt werden konnte, untersagte der herausgebende Ravensburger Spieleverlag zunächst, das Spiel im Internet weiter anzubieten. Durch den persönlichen Einsatz von Klaus Teuber tolerierte der Verlag dann aber doch das kostenlose Angebot. Zbieks Plattform hieß nun „Millenium Gate“, 2001 wurde sie in Brettspielwelt umbenannt. Mit diesen Erfahrungen programmierte die BSW GmbH für die Catan GmbH die Catan Online Welt (heute: catanuniverse.com), in der DIE SIEDLER VON CATAN, Erweiterungen und Sonderszenarien online gespielt werden können.

Yucata

Yucata ist die deutsche Alternative zur Brettspielwelt. Im Gegensatz zu ihr spielt man die mittlerweile 157 Spiele bei Yucata nicht zwingend in Echtzeit sondern auch mal über mehrere Tage hinweg. FORUM TRAJANUM, RAJA FOR THE GANGES, VOLT, TRANSATLANTIC und CHAKRA sind die neuesten verfügbaren Spiele. Weitere Highlights der Seite sind u.a. SANKT PETERSBURG, BURGEN VON BURGUND, STONE AGE, RUSSIAN RAILROADS, EL GRANDE und BRÜGGE. Auch hier sind also die Post-CATAN-Klassiker vorhanden, eine ganze Reihe davon mit „Spiel des Jahres“-Auszeichnung oder -Empfehlung. Die Macher*innen hinter Yucata hatten mit verschiedenen Dingen während Corona zu kämpfen. Die Anzahl der aktiven Nutzer*innen pro Monat hatte sich seit 2014 von ca. 8000 nur leicht auf ca. 10.000 Anfang 2020 erhöht. Auch die Anzahl der beendeten Partien pro Monat nur leicht von 70.000 auf 75.000. Im April betrug die Anzahl der aktiven Nutzer jedoch plötzlich 60.000, 185.000 Partien wurden beendet. Da die Serverlast in den Stoßzeiten stark anstieg, musste kurzfristig reagiert werden und stärkere Server besorgt werden. Auch an der Programmierung der Seite wurde einiges geändert. Das die Spiele auf Yucata nicht zwingend in Echtzeit gespielt werden mussten einige Neulinge scheinbar noch lernen. Kay Wilke: „Wenn gleichzeitig sehr viele neue Nutzer kommen, die eventuell lieber ganz anders spielen möchten als wir dies bei yucata.de tun, dann hat man schon einen höheren Moderationsaufwand. Aber auch das haben wir gut geschafft.“

Yucata existiert mittlerweile seit 2001. Kay Wilke hatte damals etwas freie Zeit und wollte sich „nur mal für drei Monate“ Webtechnologien aneignen. Also programmierte er das Brettspiel YUCATA und stellte es im Internet anderen zur Verfügung – da die Seite nur für dieses eine Spiel gedacht war, benannte er sie nach dem umgesetzten Brettspiel: yucata.de Doch auch hier verselbstständigte sich schnell die Lust am Programmieren von Brettspielen. Mit DIE BURGEN VON BURGUND ging im September 2014 das einhundertste Brettspiel auf Yucata online. Allein rund acht Stunden pro Woche geht bei Wilke allein für Koordinierungsarbeiten und Kommunikation drauf – programmiert ist dann aber noch nicht eine Zeile Code. Ca. 15 weitere Spieleentwickler*innen, die aus allen Teilen der Welt kommen, stecken dann mitunter noch einmal 80 Wochenstunden in die Entwicklung neuer Brettspielumsetzungen. Die einzige Einnahmequelle von Yucata sind freiwillige Spenden. Spender erhalten als kleines Dankeschön ein dezentes Spendenabzeichen auf ihrem sichtbaren Nutzerprofil. „Ich würde meine Seite nie mit irgendwelchen Werbebannern verschandeln“, sagt Wilke. Auch auf Features, Digital-Währungen oder Sonderrechte verzichtet er bewusst. Er trägt keine Gedankenspiele für eine Kommerzialisierung von Yucata, auch wenn man darüber nachdenken könne. Sobald echte Einnahmen da wären, würde natürlicherweise bei den Spielenden die Erwartungshaltung in Sachen Support und Features steigen, schließlich hätten sie dann für etwas bezahlt: „Das vermiest die Laune“, sagt Wilke.

Boite à jeux

Baj existiert schon seit 2003, doch erst 2011 entschieden sich die beiden Macher die Seite professioneller aufzuziehen, da es nichts Vergleichbares wie die BSW in französischer Sprache gab und sie Potenzial für Internetbrettspiele mit einem asynchronen Spielkonzept sahen. Mittlerweile besitzt Baj 61 verfügbare Spiele, Highlights sind u.a. AGRICOLA, DIE BURGEN VON BURGUND, DEUS, DIXIT, TRAJAN, KANBAN und TZOLK´IN (mit Erweiterung!)

Betreut wird Baj noch immer von Johan Koitka, der 2014 noch davon träumte, nicht nur die Seite sondern auch seinen eigenen Lebensunterhalt über die Mitgliedsbeiträge aufbringen zu können. 1.000 Mitglieder würde die Seite benötigen, um sein Gehalt zu gewährleisten, 400 waren es 2014. „Ich arbeite doppelt so viel und verdiene viermal weniger als ein Ingenieur. Es ist vor allem eine Leidenschaft, aber sehr lange kann ich so nicht mehr weitermachen“, sagte Koitka damals. 2015 konnte sein Ziel mit den Einnahmen fast erreicht werden. Doch aus persönlichen Gründen fing Koitka als Lehrer an zu arbeiten, damit einher sank die Anzahl der regelmäßigen Neuheiten und ebenfalls die Zahl der Abonnenten. Mit Beginn der Pandemie wurde die Abonnenten-Spitze aus 2015 fast wieder erreicht, auch wenn die Zahlen Mitte Mai schon wieder sinken: Wurden 2014 noch 10.000 Partien am Tag gespielt, waren es Anfang 2020 nur noch 42.000 im Monat. Mitte März änderte sich dies schlagartig. Waren Anfang des Jahres insgesamt 92.000 Accounts registriert, waren es plötzlich 132.000 Accounts. Die Anzahl der Partien ging wieder hoch auf 100.000 im Monat. Auch Baj geriet an Servergrenzen – demnächst sollen die alten ersetzt werden. Hinzu kam das übliche: Probleme bei der Registrierung und Meldungen über vermeindliche Regelfehler. „So viele Leute glauben sie würden die Regeln kennen“, sagt Koitka, „und liegen doch falsch damit!“

Boardgamearena

Die BGA ist zwar das jüngste unter den hier vorgestellten Brettspiele-Portalen, sie hat mittlerweile mit der BSW aber die Ränge getauscht und ist der Spitzenreiter, was die Nutzung angeht. Spielten 2014 ca. 200.000 registrierte Nutzer*innen ca. 8.000-10.000 Partien am Tag, spielten Anfang des Jahres 1.500.000 Nutzer*innen über 25.000 Partien pro Tag. „Der starke Zugriff begann am 12. März, dem ersten Lockdown-Tag in Italien“, berichtet der Gründer von boardgamearena, Gregory Isabelli, „in den nächsten 2-3 Tagen multiplizierten sich die Zugriffszahlen aus Italien um das 6-7fache. Während die Länder nacheinander in den Lockdown gingen, stiegen bei uns die Nutzerzahlen exponentiell an.“ In Spitzenzeiten wurden bis zu 300.000 Partien pro Tag gespielt! Dies ist Mitte Mai wieder runter gegangen, doch mit ca. 150.000 Partien ist das noch immer 6 mal so hoch wie vor Corona. „Es war die größte Herausforderung der wir uns stellen mussten seit die boardgamearena online ging. Während der letzten 8 Wochen haben wir uns ausschließlich auf die Erhöhung der Kapazitäten konzentriert und fast alles andere verschoben. Anfangs mussten wir Spieler sogar ablehnen. Jetzt ist die Seite stabil und wir haben sogar noch Kapazitäten für mehr“, sagt Isabelli. Insagesamt 182 sind aktuell bei der boardgamearena gelistet. Highlights sind TERRA MYSTICA, HANABI, HAWAII, KINGDOMINO, RACE FOR THE GALAXY, TZOLK´IN, KEYFLOWER oder COLT EXPRESS. Aktuelle Brettspielneuheiten sind u.a. RALLYMAN GT, TEOTIHUACAN oder TIKI.

Die Community der boardgamearena ist vor allem englischsprachig und die Online-Brettspiele werden in Echtzeit angeboten. Die gesamte Menüführung ist aber auch in deutscher Sprache auswählbar. Auch die BGA verdanken wir ein wenig dem Zufall: 2010 pendelte Gregory Isabelli täglich zwei Stunden in der Pariser S-Bahn. Diese Zeit wollte er sinnvoll nutzen. Da aus seiner Sicht die existierenden Internetseiten schwierig zu bedienen waren und ihm nicht das Spielvergnügen bereiten konnten, welches er sich wünschte, entschied er, etwas Eigenes zu programmieren: Vom Erreichen der Internetseite in drei Klicks zum Spielstart – das war sein Ziel. Nach zehn Monaten ging die Seite online. Der große Erfolg und das Hinzukommen eines Freundes, ließen ihn weitermachen. 2014 steckten die beiden ein wöchentliches Arbeitsvolumen von ca. 30 Stunden in die Seite. Die Arbeit kann man als Premium-Mitglied mit 2-4 Euro im Monat unterstützen. Mitglieder erhalten dafür als Bonus u.a. einen integrierten Audio- und Videochat und unbeschränkten Zugang zu allen Spielen. Darüber hinaus erledigt die BGA-Community weitere Arbeit: Moderation, Spielentwicklungen sowie Übersetzung von Spielen und Internetseite insgesamt – mittlerweile steht die BGA in 42 verschiedenen Sprachen zur Verfügung.

Dieser Text erschien in der 109. Ausgabe des Fairplay Magazins. Unterstützen Sie unsere Arbeit und abonnieren Sie das gedruckte Magazin für nur 24 Euro im Jahr.