Editorial 116

Liebe Abstimmerinnen und Abstimmer,

die Jury muss noch ihren finalen Job machen, wenn Sie dieses Heft in Händen halten. Hier zu schreiben, welches Spiel gewinnt, wäre vermessen. Darüber zu spekulieren, macht natürlich besonders viel Spaß. Peter Nos hat schon die Chancen der nominierten Spiele analysiert. Ich habe natürlich auch eine Meinung und orakel gerne mit. Also wenn Sie mich fragen täten, welches Spiel gewinnt, dann sag ich hier nix! Ich bin Profi, will doch die liebe Jury nicht beeinflussen.

Immer wenn Mutmaßungen ins Kraut schießen, weiß ich wieder: Der Jahrgang ist gelaufen. Oh, hab‘ ich das nicht auch schon vor einem Jahr geschrieben? Ach, ist doch herrlich, wenn das Spielejahr seinem ganz eigenen Rhythmus folgt. Ich kann mich jetzt zurücklehnen und mich auf die kommenden Neuheiten freuen. Moment, erstens müssen wir vor Essen noch eine Ausgabe erstellen, außerdem müssen Sie ja noch für den Deutschen Spielepreis anbstimmen. Wie immer finden Sie Ihre persönliche Abstimmkarte im Heft. Internet-Nativ-Spieler stimmen online ab. Das ist schneller, ist aber längst nicht so schön, als wenn man sich in Ruhe mit einem Stift in der Hand überlegt, welche Spiele man notiert.

Was würden Sie wählen? PANDEMIC LEGACY ist bei boardgamegeek seit Eintritt in die Charts auf Platz 1 hochgeschossen. Als bestes Spiel überhaupt, als bestes thematisches Spiel und als bestes Strategiespiel. Beeindruckend. Die meisten geben diesem Spiel 8, 9 und 10 Punkte. Wenn das nicht ein Hype ist!? Die User von boardgamegeek sind eben nicht normal verteilt.

Ich frage mich allerdings, ob da nicht ein bisschen Fiktion im Spiel ist, der Glaube, dass es unheimlich viel Spaß macht, PANDEMIC LEGACY zu spielen, wenn man es denn bis zum Ende spielen könnte. In meiner Runde haben wir es nicht zu Ende gespielt. Die Terminabsprache machte es einfach zu schwierig, um kontinuierlich am Ball zu bleiben. Außerdem packte einen Mitspieler doch arge Unlust, immer wieder fast dieselben Probleme zu lösen. Aber PANDEMIC LEGACY wird es dieses Jahr machen, weil alle es einfach gerne spielen wollen würden, wenn sie es können könnten.
Und noch ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert: Als ich noch jung in der Szene war, ich die seelige Pöppel-Revue als erstes Szene-Magazin überhaupt in Händen hielt, habe ich abgestimmt:

Beim Goldenen Pöppel. War ja so was wie der Vorläufer des Deutschen Spielepreises. Und weil die DIE 1. MILLION von Hexagames in der Pöppel-Revue so super wegkam, habe ich das auch auf meine Abstimmkarte geschrieben. Ohne es ein Mal gespielt zu haben und nur weil die mir bekannten Altvorderen bereits dessen Vorläufer MONAD in der 3M-Mini-Kassette so geil fanden. Ich hab‘ nur für dafür gestimmt, weil ich die um ihr 3M-Spiel beneidet habe, so wie ich heute all die beneide, die PANDEMIC LEGACY zu Ende gespielt haben. Wer hat’s zu Ende gespielt?

Trotz, dass ich ein paar Monatsrunden gespielt habe und trotz allen Neids würde ich heute nicht für PANDEMIC LEGACY stimmen, sorry! Wenn ich dieses Spiel anfange, dann weiß ich, dass ich das auch mit denselben Leuten zu Ende spielen muss. Ich kann’s nicht mit anderen weiterspielen, mein angefangenes PANDEMIC LEGACY kann ich im Prinzip wegschmeißen.

Besser dann T.I.M.E-STORIES, da hat das Spielen derselben Story in zwei Gruppen bereits geklappt. Ich musste mir zwar mit der zweiten Gruppe so manches Mal auf die Zunge beißen, aber es ging … mit nur ein ganz klein wenig mogeln. Kann man aber wirklich nur machen, wenn man sich wirklich zurück hält. Dann haben wenigstens noch die Mitspieler Spaß, tauchen in die Geschichte ein. Da habe ich dann sogar als Wissender Vergnügen, zumal ich mit meiner ersten Runde gescheitert bin.
Wissen Sie jetzt, was Sie wählen werden? Die üblichen Verdächtigen aus den üblichen Verlagen?Wie wär’s mal mit DIE UNÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN? Basteln Sie sich doch mal 100 Fotokarten mit Spielecovern drauf, dazu noch passende Fragen à la „Würde ich mit meiner Schwiegermutter spielen“ oder „Kann ich nur mit Fairplay-Abonnenten spielen“ oder „Gewinnt den Deutschen Spielepreis.“

Jetzt dürfen Sie selbst abstimmen.

Ihr Harry

1 Kommentar zu „Editorial 116“

  1. Der Duden definiert Hype als "Welle oberflächlicher Begeisterung" und dass es die auf BGG gibt, steht außer Frage. Dass ein Spiel aber allein durch Hype in allen Kategorien auf den ersten Platz getragen wird, ist schlichtweg nicht möglich. Die #1 Platzierung von Pademic Legacy mit Hype oder Wunschdenken der User ("es wäre toll wenn ich es spielen könnte") zu erkären, ist daher eine recht gewagte These.

    Ich gehöre zu den vielen Spielern, die P:L mit großer Begeisterung durchgespielt haben und muss feststellen: dieses Spiel hat seine hervorragende Bewertung verdient, allein schon durch seinen innovativen, epischen Erzählcharakter.

    Spielepreise wirken auf mehreren Ebenen: als Leitfaden für die Käufer, als Bestätigung für's eigene Ego ("mein Lieblingsspiel ist SdJ geworden") aber eben auch als Auszeichnung für Autor und Verlag. Bei P:L wünsche ich mir die guten Platzierungen, um die Arbeit des Designers und den Mut des Verlages zu würdigen, die mit diesem Spiel neue Wege beschritten haben, abseits des üblichen Optimierungseinheitsbreis.

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