Editorial 112

Liebe Freundinnen und Freunde,

Dieser Jahrgang ist zu Ende, wenn Sie Ihre Fairplay in Händen halten. War es ein guter, ein mäßiger oder gar schlechter Jahrgang? Egal, die nächsten Neuheiten stehen in den Startlöchern. Spiele sind für Profis durchlaufende Posten. Jedes Jahr muss es etwas Neues geben, und sei es eine Erweiterung oder irgendein Ableger jetzt mit Würfeln statt Karten. Zum Glück verschwinden Spiele ja nicht gleich im Regal wie gerade gelesene Bücher.

In Spielen steckt mehr als nur eine Geschichte, entwickelt sich doch jede Partie mit neuen Mitspielern anders. Oder es besteht zumindest die Chance, so man nicht fließbandmäßig eine Neuheit nach der anderen spielt. Manchmal sind Spiele sogar ganz besonders, halten sich im Gedächtnis … Erinnerungen an ganz bestimmte Emotionen, an Glück oder Frust, an Sieg oder verpatze Siege, an spannende Spielverläufe oder ausgelassenes Gelächter.

Ich hab‘ da einige Spiele, die sind für mich aus genau diesen Gründen wie alte Freunde. Gewiss, ich spiele sie nach dem Ende ihres Jahrgangs nicht mehr allzu häufig, dennoch ist jede neue Partie wie ein Treffen mit alten Freunden. Es ist dann sofort so wie früher. Es stimmt einfach alles, auch nach längerer Zeit. Bin gespannt, welches Spiel aus diesem Jahrgang zu einem alten Freund werden wird. Ich hab‘ da schon so einen Kandidaten mit entsprechenden Qualitäten. Irgendwie ist er durchschaubar, dennoch undurchsichtig und sehr wandlungsfähig. Herausfordernd ist jedes Treffen, sei es noch so kurz. Und es ist meistens zu kurz. Aber wie das so ist: Erst die Zukunft bestätigt alte Freundschaften nach der vergangenen Zeit.

Was bleibt also von dem aktuellen Jahrgang? Viel … Für mich vor allem die längst nicht mehr so schmerzliche Erkenntnis, nicht mal mehr alle wichtigen Spiele eines Jahrgangs gespielt zu haben. Hut ab vor der Jury, die das leisten kann und dann sogar die wirklich preiswürdigen Spiele heraus filtert. Ich traue mir das längst nicht mehr zu.

Um die besten Spiele zu finden, lese ich Rezensionen natürlich auch andernorts … und vertraue den mir persönlich bekannten oder jenen Rezensenten, mit denen ich vermutlich auf einer Welle schwimme. Und natürlich baue ich auf meine Erfahrung und meinen Riecher. Natürlich bin ich nicht frei von Vorurteilen, sei es positiven oder negativen. Ich habe so manche Schubladen für Verlage, Autoren und Rezensenten.

Trotzdem lohnt es sich immer, auf die Zwischentöne zu lauschen. Entdecken Sie Klang und Rhythmus einer Rezension. Ist das was für Sie? Ich hoffe, denn sonst könnten wir zukünftig alle Spiele in einem Wort oder einer Note rezensieren und so den kompletten Jahrgang in vier Ausgaben abarbeiten. Meinethalben schicken wir noch ein, zwei Sätze hinterher, wie wir es jetzt schon als Ergänzung zu Kritiken machen. Lesen Sie nicht auch erst diese Kurzmeinungen vor der kompletten Rezension?

Mach‘ ich tatsächlich so, und das hat seine Wurzeln in der Spielwiese von Edgar Forschbach. Seine kurzen Erwähnungen in der alten Tante Spielbox interessierten mich mehr als langatmige Erklärungen von Spielabläufen. Die interessieren mich immer noch nicht, weder gedruckt noch online und schon mal gar nicht als Video.

Es gibt da draußen so viele Spiele, deshalb unterteilen wir unsere Welt in geordnete Jahrgänge. Blödsinnig oder doch zutiefst menschlich? Wir neigen alle zu Vergleichen: Was ist besser, was ist schlechter? Und genau deshalb stimmen wir alle beim Deutschen Spielepreis ab. Die Nachwelt soll sich erinnern, welches die Topp-Spiele des Jahrgangs 2014/15 waren. Und tatsächlich sind bisherige Spiele dieser Szene-Auswahl mir zu alten Freunden geworden. Deshalb müssen Sie auch wählen! Ihre Stimmkarte finden Sie im Heft. Worauf warten Sie?!

In diesem Sinne,

Ihr Harry

4 Kommentare zu „Editorial 112“

  1. "Wenn Sie Ihre Fairplay in den Händen halten…". Schön wäre es, aber anscheinend muss man in den Nachfolgen des Poststreiks noch ein wenig Geduld haben. In Witten ist noch nix angekommen von der 112er-Ausgabe.

  2. Hallo ravn,
    das mit dem Poststreik bedauern wir natürlich, allerdings ist es höhere Gewalt. Das Heft ging vorige Woche in die Post. Unser Heft, das im regulären Versand mit rausging, haben wir heute erhalten. Ich hoffe, die Fairplay findet auch überall sonst jetzt schnell ihren Weg in die Briefkästen unserer Abonenntinnen und Abonnenten.
    Alles Gute von
    Kathrin.

  3. Ist derweil angekommen. Geduld zahlt sich aus. Schöne lesenswerte Ausgabe, weil Ihr Mut zu Meinungen habt – wie z.B. bei Broom Service.
    Cu / Ralf

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