Fairplay 64 – Teuber Hommage: Löwenherz

Löwenherz

Ein bemerkenswert guter Verlierer

Hallöchen, hohe Herren und die Damen
Die Neuheit: Super, oder? Teuber at his best!?
Nicht neu? Na gut, na gut. Vielleicht den Namen
Gab’s vormals, und zum Teil gab’s auch den Rest

Wir haben, hohe Herren und die Damen
Die Regeln leicht gekürzt, die Dauer ganz enorm
Man braucht für unser Spiel nun kein Examen
So hatten Sie’s gewünscht, wir geh’n konform

Sie meinen, hohe Herren und die Damen
Die schlaue Masche ziele allzu deutlich auf
Den Preis, den wir vor Jahren nicht bekamen?
Ach neeeeeiin, wie kommen Sie darauf?

Wenn’s wieder, hohe Herren und die Damen
Mit LÖWENHERZ nicht klappt – seh’n Sie sich vor:
Wir kennen, dass Sie’s wissen, kein Erbarmen
Und Variante drei steht dann bevor

SHOWMANAGER durfte mit neuem Thema ein zweites Mal, AIRLINES brachte es wenig überarbeitet gar auf die Nominierungsliste: Offensichtlich können Neuauflagen was reißen, insbesondere mit dem moralischen Bonus im Rücken, vormals zu schlecht weggekommen zu sein. So etwas spricht sich herum und … huch, was sehen wir 2003 auf unserem Gabentisch: LÖWENHERZ, EDEL, STEIN UND REICH, ALHAMBRA

Mag sein, dass man verlagsseitig schöne Begründungen für diese Aufgüsse weiß (jetzt taktischer!“, spannender!“, ergiebiger, 20% mehr Waschkraft!“), aber die Wahrheit ist doch: Spiele wollen alle nur das Eine! – Herrlich, dass ich mir keine Gedanken darüber machen muss, was hier nun preiswürdig oder nicht preiswürdig, grundlegend oder nicht grundlegend verändert wurde. Mein Job als Fairplay-Kritiker besteht ganz simpel darin, egal wie die Jury-Entscheidung ausfällt, mit Dreck zu werfen. Hurra!

Soll ich damit gleich loslegen oder wollen Sie zuvor noch was über das Spiel an sich erfahren? (Natürlich bin ich so arrogant, die Kenntnis des alten LÖWENHERZ vorauszusetzen. Erstens sind wir hier in einem elitären Fachmagazin, zweitens habe ich mit meinem anfänglichen Gesabbel bereits so viele Zeilen verplempert, dss ch mch jtzt krzr fssn mss.)

LÖWENHERZ verspricht Stundenreduzierung bei vollem Lohnausgleich. In der Welt der Schachtelrückseiten sagt man das so: leichterer Einstieg und kürzere Spieldauer bei noch größerem Spielspaß“.

Ab sofort spielen wir schön reihum. Nix mit Verhandeln, jeder hat drei Aktionskarten. Wer am Zug ist, benutzt oder verkauft eine Karte. Das Benutzen kostet Geld und man darf einen der traditionellen Spielzüge ausführen, etwa Mauern oder Ritter aufstellen. Das Verkaufen bringt Geld. Die Karte geht aber nicht auf den Ablagestapel, sondern in die Bank. Anschließend ergänzt man seine zwei Karten wieder auf drei. Entweder vom Talon oder aus der Bank-Auslage.

Wie gehabt grenzt man sich um seine Burgen herum mit Mauern Gebiete ab und bekommt Punkte dafür. Die Gebiete können erweitert werden, wenn man mehr Ritter als die Nachbarschaft besitzt. Kleinigkeiten sind ein bisschen anders geregelt. 1. berechnen wir die Punkte nicht mehr abhängig von der Gebietsgröße, sondern nur noch für enthaltene Dörfer und Wälder. Was viel eleganter ist. 2. wurde der „Silberfund“ abgeschafft. Jetzt gibt es vier Sorten Minen. Hat man drei einer Sorte, zählt das fünf Punkte. Noch wichtiger ist es, sich verschiedene Minen zu sichern. Denn die Anzahl der Minensorten bestimmt das Einkommen. 3. findet man Überläufer und Bündniszwänge nicht mehr in separaten Kartensätzen. Sie sind bei den stinknormalen Aktionskarten eingemischt.

Alt gegen Neu

Was ich gleich in der ersten Partie erfahren durfte: Das neue LOWENHERZ erfordert eine geänderte Strategie. Meine alte defensive Spielweise (Geld sammeln, Überläufer ranholen, nicht zu sehr auffallen und kurz vor Schluss mit dem eisernen Besen kehren) funktioniert nicht mehr. In der guten alten Zeit war es möglich, durch Überläufer/Freikaufen vom Bündnis / Doppelritter eine Mehrheit zu drehen und sofort noch zwei Felder zu klauen. Damit ist’s vorbei!

Spielszene von Löwenherz aus dem Heft Nr. 64.

Bündnisse bestehen jetzt bis Spielende, und auf den Karten sind Erweiterungen eine separate Aktion. Entweder ich mache in Rittern oder ich erweitere. Nie gleichzeitig. Wenn ich hochrüste, hat mein Feind und Nachbar in seinem Zug noch die Möglichkeit zu kontern. Es sei denn, ihm gehen Geld oder die passenden Karten aus. Oder mir hilft ein Mitspieler. Die Gebiete sind also sicherer, man kann frei von der Leber wegspielen, Passivität wird sogar bestraft: Erreicht jemand eine bestimmte Punktzahl, gewinnt er vorzeitig.

Geblieben ist die Strategiefrage, ob man sich alle seine Gebiete selber bauen möchte oder lieber nur Ritter aufstellt und die restliche Arbeit den Mitspielern überlässt. Und geblieben sind auch sämtliche taktischen Möglichkeiten auf dem Brett, etwa sich mit gezielten Erweiterungen ohne lästigen Mauerkauf ein weiteres Gebiet zu umzäunen. Kurz: Auf dem Feld passiert in etwa dasselbe wie früher. Anders der Weg dahin: Kartenziehen statt Versteigern. -Glücksspiel, hm?

Das neue Kartenglück

Vorhandenes Kartenglück lässt sich nicht leugnen. Aber mögliche Härten wurden abgefedert. Stichwort Überläufer: An diese starken Karten gelangt man zufällig. Doch aufgrund des passablen Erlöses landen einige in der Bank und stehen dann der Allgemeinheit zur Verfügung. Stichwort Mauern: Ohne Oma keine Kekse, ohne Mauern keine Gebiete. Zu Beginn der Partie kaum Mauern zu bekommen, hemmt. Da kann man nur Ritter aufstellen und hoffen. Allerdings gibt es auch hier ein „allerdings“: Bin ich mauerlos, hat oft ein Spieler zu viele davon, und ich kann eventuell über die Bank was abfischen.

Für am schwerwiegendsten halte ich, ob man genügend Erweiterungskarten bekommt oder nicht. 24 gibt’s, die zum Teil auch noch anders genutzt werden können. Bleiben also bei vier Spielern pro Nase nicht so sehr viele. Besonders unbefriedigend ist es, wenn man keine Erweiterung mehr hat und der Nachziehstapel ist aufgebraucht. Ein Spieler, der den Tatsachen ins Auge blickt, weiß nun: Ich krieg’ jetzt auch keine mehr! Im Regelfall verkauft man dann sein gesamtes Blatt – was andererseits wieder Zusatzpunkte für das meiste Geld bei Spielende einbringt.

LÖWENHERZ neu erfordert, aus den erhaltenen Karten das Beste rauszuholen. Es ist schön kompakt und knackig. Mit einer kurzentschlossenen Schar junger Stürmer (-höfliche Umschreibung für Männer, die hart auf die 40 zugehen) kriege ich das Spiel in knapp über einer halben Stunde durchgerodelt. Um nicht den Verfechtern schlanker Strukturen das Wort zu reden: Ein Spiel, das Spaß macht, darf gern stundenlang dauern, denn dann macht es ja stundenlang Spaß. Nach wie vor kommt die alte Version meinen Bedürfnissen insgesamt mehr entgegen. Doch ob die Verhandlungen in Relation zum Aufwand tatsächlich genug für das Spiel bringen, ist zumindest eine berechtigte Frage.

Man hat wohl hier und da ne Mark rauskitzeln können, auf der anderen Seite gab es aber auch gewisse Einheitstarife, wir alle haben ständig mehr Geld angehäuft und im Finale wurden stets ungeheure Summen in die Bank geboten. Auch verteilten sich zumindest bei uns die ersten drei Spieler über weite Phasen der Partie schön auf die Aktionen eins bis drei, und interessant war dann eigentlich bloß die Entscheidung des gelackmeierten vierten Spielers. Ich sehe da durchaus leichte Schwächen. Und zugleich die große Stärke: LÖWENHERZ alt ermöglichte mehr Mitbestimmung, welche Aktionen man bekam, und war dadurch strategischer.

Weniger Einstiegshürden

Das neue LÖWENHERZ ist einsteigerfreundlicher, weil es weniger Entscheidungen erfordert. Aber es bleibt immer noch LÖWENHERZ. Auch drei Karten geben spannenden Denkstoff. Zum Beispiel brauche ich Geld, will aber nicht den Überläufer in die Bank geben und die Erweiterung sowieso nicht. Alternativ könnte ich sofort erweitern, wäre dann aber pleite und könnte auf nichts mehr reagieren. Erweitere ich dagegen nicht, stellen meine Nachbarn vielleicht Ritter auf und ich bin eingekesselt… Hm, und nehme ich den Spatz aus der Bank oder hoffe auf die Taube vom Stapel? – Wohl dem, der solche Note nicht hat und ungestört in einem Eckchen vor sich hinexpandieren kann: oft der spätere Gewinner.

Ich war skeptisch und hielt es für Frevel, diese Perle herunterbrechen zu wollen, bin inzwischen aber geläutert. Mit Freunden der alten Version werde ich wohl beim traditionellen Spiel bleiben, Einsteiger dagegen mit der neuen Version ködern. Ob man beide Spiele braucht, wage ich nicht vorzuschreiben. Wer allerdings keines besitzt, sollte sich verändern. Ich empfehle LOWENHERZ. Auch zu zweit.

Gegen eine moderate Label-Gebühr gestatte ich dem Verlag das Aufkleberchen: »Ätsch! Udo mag’s aber«.

Udo Bartsch

Klaus Teuber: LÖWENHERZ für 2 – 4 Personen ab 12 Jahren mit Illustration von Franz Vohwinkel bei KOSMOS 2003, dauert 1 Stunde

Weiterer Link zum Thema: rezensionen-fuer-millionen.blogspot.com/2023/05/vor-20-jahren-125-lowenherz.html