Fairplay 138 – Editorial

Hallöchen,
puh, diese Anrede geht mir immer noch schwer aus dem Maul. Dann lieber so:

Liebe Menschen, wie geht’s, wie steht’s?
Alles gut? Wer das fragt, will meistens keine negativen Antworten hören. Wer will sich schon deren Geklage und Gejammer anhören. Ich will das auch immer lieber selbst an die anderen Stuten und Hengste bringen. Aber habe ich im Vorfeld der SPIEL21 gemeckert? Ich hab‘ still und leise geschwiegen, gehofft, dass alles gut über die Bühne geht. Dass wir uns alle wiedersehen. Hat ja auch geklappt, ohne Verluste, ohne Theater, ohne Mecker und tatsächlich so wie immer. Fast, hatten alle einen Schnutenpulli um und waren schlecht zu erkennen. Und es ging doch alles gut. Mein ganzes Team ist wieder heile zu Hause angekommen. Die Besucher in Essen haben die Messe gerockt. Trotzdem rollt auf uns die vierte Welle zu oder ist gar schon da? Und wen interessiert es? Fast habe ich den Eindruck, dass wir uns alle viel zu sicher fühlen.

Wie läuft’s denn bei Ihnen am Spieltisch? Alle mit Maske oder kennen wir uns alle so gut, dass wir einander vertrauen können, dass wir geimpft sind? Also ich kenne offiziell keinen, der ungeimpft ist. Heißt ja nix. Ich weiß nur von meinem Stall, dass alle geimpft sind. Aber die Impfausweise lasse ich mir dennoch nicht zeigen. Vertrauen gegen Vertrauen.

Also bin ich auch nach Essen. Ich musste einfach hin, hatte ein bisschen Theater am Einlass. Welches Pferd außer mir ist denn schon geimpft? Ich wurde trotzdem eingelassen, und ging stante pede zur Neuheitenshow. Nicht wegen der neuen Spiele, eher wegen der neuen Gesichter. Und wen treffe ich da? Natürlich die alten Bekannten. Wir laufen uns schließlich schon einige Jahre, sogar Jahrzehnte immer wieder über den Weg. Zum Glück erkennen mich ja die wenigsten und ich kann in Ruhe beobachten.

Da werden Anwerbeversuche bei Frischlingen in der Szene gestartet. Altgestandene Meisterschreiber versuchen Nachwuchs für ihr Blatt zu werben. Oder gleich für die Jury oder gleich für alles. Manche dieser Kandidaten und Kandidatinnen werden von einem zu anderen Medium gereicht, erscheinen hier auf Twitch oder Youtube, talken sich durch so einige Podcasts und landen dann wahrscheinlich nicht unbeabsichtigt in der Jury. Bei mir würden sämtliche Alarmglocken schrillen, so viel Arbeit halse ich mir nicht freiwillig auf. Außerdem würde ich sofort zum Besen greifen und alle auskehren, die nur die leisesten Ambitionen haben, sich wichtiger als ich zu machen. In meinem Stall kann es nur einen geben!

Und wer war sonst noch da? Eigentlich fallen mir doch nur die auf, die mir jedes Jahr auffallen, egal ob es Szene- oder Verlagsmenschen sind. Man kennt sich, man mag sich. Fürs nächste Jahr habe ich mir fest vorgenommen, auch mal mit jenen zu sprechen, die die Fairplay gar nicht kennen. Gar nicht wissen, wie es bei uns im Stall so läuft. Das sind die, die Print meist gar nicht mehr kennen. Oder ernstnehmen? Ich könnte da noch Tipps gebrauchen, wer denn da wichtig ist? Wen muss ich ansprechen? Ich kenne die schließlich auch nicht. Bei Youtube halte ich es nur einige Sekunden aus, dann ist es mir entweder zu hektisch, zu trutschig oder zu allwissend. Und manchmal behagt mir die Stimme einfach nicht. Ein Podcast-Format höre ich mir aber immer gerne an. Das ist das Quiz der Brettagogen, quasi das gesprochene Rätsel aus der Wochenendbeilage von SZ oder Zeit. Da muss viel um die Ecke gedacht werden. Und jedes Mal denke ich dann: Viel Reden hilft nichts, wenn man nichts weiß. Aber reden können die viel, manchmal zu viel. Ich bleib trotzdem dran, weil da zwei Altmeister sitzen, die mehr wissen als die anderen reden können.

Natürlich ist die Jury auch am Podcasten dran, bei denen heißt es dann „Spielerisches Quartett.“ Darunter geht’s nicht. Ein Gast und drei Jurymitglieder zerlegen vier Spiele. Und zerlegen gleich en passent die Etikette. Statt den Gast ausführlich vorzustellen und als erstes sprechen zu lassen, kommt der Gast erst am Ende an die Reihe und wird so gut wie gar nicht vorgestellt. Geht’s noch?! Dass die Jury durchaus lernfähig ist, hat sie mit ihrem 18. Spielerischen Quartett bewiesen und wenigstens die Frau zuerst sprechen lassen. Vielleicht aus gutem Grund, denn die Jury sucht schließlich immer Nachwuchs. Und eine ambitionierte Frau käme ihr da gerade recht. Es ist zum Glück keine aus meinem Stall.

Ansonsten: Frohe Weihnachten!

Euer Harry