Editorial 120

Liebe Leserinnen und Leser,

was für ein Glück, es ist nichts passiert. Still ruht der See … Ich fand es schon ziemlich traurig, hier in mehreren Edis Weggefährten zu verabschieden. Ich weiß, das ist der Gang der Dinge, schließlich altert die altbekannte Szene. Zum Glück gibt’s genügend Fohlen auf der Wiese, so dass nicht zu befürchten ist, dass unsere Spielwiese irgendwann leer ist.

Und die reale Welt, was ist mit der nur aktuell los? Gut, dass wir unsere eigenen Welten haben. Wir können den Mars terraformen, wir können auf dem Great Western Trail reiten oder aber über die Nordsee schippern, um die Klöster und Festungen unserer Nachbarn ordentlich zu plündern. Aha, die böse Welt gibt’s auch im Spiel … schon ewig, also kein Grund zur Aufregung. Nun hat sogar die einzig wahre Jury der bösen Welt Einlass gewährt. Aber wen kümmert das schon?! Da draußen, außerhalb meines Stalles, jenseits unserer Spielwiese geht’s so kurios rund wie schon ewig nicht mehr. Wie schön wär’s, wenn wir alle an einem Strang und alle Karren aus dem Dreck ziehen würden und friedlich miteinander umgingen. Aber die Weltuntergangsapologeten sind allerorten an entscheidende Stellen gewählt worden.

Ist schon länger her, da hatte ich einen ganz verantwortungsvollen Posten inne. Ich war der Chefhengst, hatte alle anderen bis auf eine Stute platt gemacht. Ich war der Größte, der Schönste, der … Chef der Junta. Eben jener JUNTA aus dem gleichnamigen Spiel. Ich war der Held meines Stalles. Ich fühlte mich sofort great, großartig, unbesiegbar. Warum sollte ich Heu und Futtermöhren mit irgendwem teilen? Die Herde lag unter meinen Hufen. Nach jedem Putsch landen unliebsame Konkurrenten irgendwann doch vor dem Stall, wenn nicht sogar beim Abdecker. Weg mit den Verbündeten!

Und warum entrüstete sich meine Herde über die Zwangsläufigkeit meines konkludenten Handelns? Macht man doch so … in jedem Stall der Welt. Warum fallen all die Loser über mich her? The winner takes doch alles. Außerdem ist JUNTA doch nur ein Spiel … das ich dann am Ende mit Pauken und Trompeten verloren habe. Kriegte einfach kein‘ Huf mehr auf den Boden.
Was ich damit sagen will: Nach dieser Partie JUNTA war ich unten durch, so unten durch wie lange nicht und sogar noch länger. Ich weiß jetzt: Man muss nicht alles tun, was möglich ist. Diplomatie ist alles, gerade wenn man auf die Herde als Mitspieler angewiesen ist. Hat verdammt lange gebraucht, bis ich mein Image aus dieser einen Partie wieder los geworden bin. Aber es soll in der Welt jenseits unserer überschaubaren Spielwiese Hengste geben, denen das völlig egal ist. Diese Hengste haben offensichtlich vergessen, dass eine Leitstute in der Herde die Hosen an hat.

In Spielekreisen erlebe ich manchmal, dass Mitspieler zu Mistspielern mutieren. Und das nicht nur als Tippfehler. Es gibt da so Menschen, die schaffen es einfach, immer die fiesesten Züge zu machen und das auch noch entsprechend zu kommentieren. Ist doch möglich, alles ganz legal. Klar, aber man muss ja nicht noch sarkastische Sprüche bringen, den Finger noch extra in die Wunde legen.

Wer spielt schon gerne mit Mitspielern, die auch noch nachkarten oder Züge zurücknehmen wollen? Oder naiv heraus posaunen: „Och, diese Regel kannte ich aber nicht!“ Die ewig nachdenken müssen, um das allerletzte Siegpünktchen aus dem Spiel zu quetschen? Die nur verlieren, weil alle gegen sie sind. So ein Verhalten schaue ich mir nur ein Mal an, dann bleibt für Mistspieler nur noch der Platz auf dem … unser aller Pferdeäppel landen. Außer natürlich, ich mach‘ das selbst. Ich darf das …
Jedes halbwegs gut erzogene Pferd erkennt, dass Rüpelei und rücksichtsloses Agieren durchaus negative Langwirkungen hat. Irgendwann steht man isoliert da und wird sich möglicherweise brüllend bei seiner Mama beschweren: „Mit mir will keiner mehr spielen!“ Und dass sich ein Idiot selbst als Idiot wahrnimmt, kommt ja leider selten genug vor. Eigentlich darf man damit auch erst gar nicht rechnen.

Genug gemosert. Ich hab‘ begriffen, dass es ohne Rücksicht gar nicht geht. Ich spiele weiter, mit allen Pferdchen der Herde … in meinem netten kleinen Stall hier. Ich muss ja auch noch ein paar Spiele spielen, denn die Abstimmung zum Deutschen Spiele Preis läuft noch bis zum 31. Juli. Die Postkarte im Heft haben Sie natürlich schon gesehen, ausgefüllt und zurück geschickt. Nur für den Fall, dass Sie ein Jungfohlen sind. Es geht auch übers Internet.

Ihr einzig wahrer Ex-Junta-Chef

Hold On Harry