Editorial 118

Liebe Leserinnen und Leser,

Ach, jetzt ein Edi zu schreiben, fällt mir schwer. Vielleicht haben Sie es ja schon mitbekommen: In der Woche nach Essen ist unser Chef Herbert Heller nach langem Krebsleiden verstorben. Das reißt schon eine tiefe Lücke in unser Team, auch wenn Herbert schon geraume Zeit keine Rezension oder Kommentare mehr beigesteuert hat und nur noch selten, schließlich gar nicht mehr in der Öffentlichkeit erschienen ist. Herbert war und bleibt immer die gute Seele der Redaktion. Seine Ratschläge werden fehlen. Irgendwie ist dieses Jahr ziemlich verkorkst. So viele Todesfälle, das lässt selbst ein altes Schlachtross wie mich nicht unberührt. Einige alte und jüngere Weggefährten haben für Herbert Nachrufe geschrieben. Diese Anteilnahme ist gut, macht aber den Verlust nur umso deutlicher. Außerdem sind jetzt einige Entscheidungen zu treffen, wie es weitergehen soll.

Und natürlich geht und ging es weiter. Die Messe in Essen war wie immer business as usual. Routinierte Vorbereitungen, routinierter Standaufbau … alles so wie immer. Nur dass Essen diesmal noch größer, noch bunter und auch noch voller wurde. Ich dachte schon am Donnerstag, es sei Samstag. Kaum mehr ein Durchkommen, besonders natürlich in den Hallen 1, 2 und 3. Aber die Hallen 4, 6 und 7 waren gut gefüllt. Ich bin da jeden Gang abgelaufen. So viele neue Spiele habe ich mein Lebtag noch nicht zu sehen bekommen. Liegt es an mir oder an der schieren Masse an Spielen, dass ich in der nächsten Standreihe schon längst vergessen habe, welche Spiele, welche Verlage ich in der vorherigen Reihe gesehen habe. Alles sah irgendwie gleich aus, kaum mehr Unterschiede in der optischen Präsentation, alles so perfekt.

Gerade in den Hallen hinter der Galeria war es sehr international. Gerade die Stände dort wurden von Spielern aus aller Herren Länder besucht. Für viele Nationalitäten waren diese Hallen quasi eine Landesmesse in der großen Messe, ganz ohne Sprachbarriere. Mir erscheint es seit dem Wechsel in die neuen Hallen so, als wenn sich die Internationalen Spieletage immer mehr fragmentierten. Je nach Nationalität oder nach spielerischen Vorlieben findet sich für jeden seine mehr oder minder große oder kleine Auswahl an passenden Verlagen in bestimmten Hallen.

Dass unserer Scout-Aktion bei etlichen kleinen aber auch größeren ausländischen Verlagen immer noch gänzlich unbekannt ist, wundert mich … dann doch fast kein bisschen. Kennen diese Verlage die deutsche Spieleszene und unser Magazin gar nicht? Müssen wir dort mehr PR machen? Könnten das nicht auch unsere Scouts erledigen? Mit speziellen Kappen: Ich bin ein Fairplay-Scout! Yeah!!! Die deutsche Szene macht nur noch einen Teil der Messe aus. Fraglich, ob das noch der größere oder schon der kleinere Teil ist. Ich meine hier nur die Szene, nicht das Familienspielerpublikum von Samstag oder Sonntag. Und so richtig vermischen sich die Nationalitäten nur an einzelnen Ständen, ansonsten gibt’s Lokalisierungen für aller Herren Länder. Die Auflage wird von vornherein mit Beteiligung von internationalen Verlagen geplant. Warum sollte also noch ein Engländer oder Amerikaner zu Hans im Glück gehen, wenn deren Spiele zeitgleich bei ihren einheimischen Verlagen erscheinen?

Und da habe ich das Edi endlich im Kasten, da erreicht mich noch eine Todesnachricht. Was ist das nur für ein Jahr! Jetzt ist auch noch Reiner Müller gestorben, einer der Wegbereiter der deutschen Spieleszene. Er hat ganz entscheidende Weichen gestellt, die unsere Spielkultur maßgeblich in die richtige Richtung gelenkt haben. Bei Ass hat er schon vor Jahrzehnten erste Lokalisierungen vorgenommen und amerikanische Spiele wie JUNTA nach Deutschland geholt. Reiner Müller war in den ersten Jahren der Spielbox deren Chefredakteur und hat mit TM bei Kosmos DIE SIEDLER VON CATAN betreut. Mehr ist gar nicht zu sagen, um den Verlust zu beschreiben.

Trotzdem frohe und besinnliche Weihnachtstage, viele Spiele, wenig Essen!

Ihr Harry