Die Zukunft der Spiele

Was für ein Trubel an unserem Messestand. In der hinteren Besucherreihe erzählt gerade jemand, dass er in der ersten Längsreihe der Halle 5 die Zukunft der Spiele gesehen hätte. Als ich endlich Zeit finde nachzufragen, ist der Mann verschwunden. Also marschiere ich bei nächster Gelegenheit los.
In der beschriebenen Reihe finde ich allerdings nur zwei Spiele- und einen Softwarehändler, diverse kleinere Verlage und Mattel. Also eigentlich nichts, was man auch nur entfernt mit der Zukunft der Spiele in Verbindung bringen könnte. Ist es die falsche Reihe? Ich marschiere noch einmal zurück. Nichts! Allerdings macht mich ein kleinerer Menschenauflauf bei Mattel neugierig. Ich wühle mich nach vorne und da steht es tatsächlich groß an der Wand: „Die Zukunft der Spiele“. Ich bin sprachlos. Die meinen tatsächlich MIND FLEX, dieses technische Gimmick mit dem ein „Spieler“ eine kleine Kugel durch die Kraft seiner Gedanken zum Schweben bringen soll. Immerhin funktioniert MIND FLEX insoweit, dass die Kugeln schweben. Zwei Besucher demonstrieren dies gerade recht anschaulich. Aber arbeitet hier tatsächlich die Gedankenkraft? Oder werden die potentiellen Kunden nur beeindruckend geschickt auf den Arm genommen? Wie glaubwürdig sind die Filmchen im Internet wo ein Baby, ein Hund und sogar ein Plastikkopf mit übergestülptem nassen Lappen schwebende Erfolge mit MIND FLEX erzielen?
Eigentlich ist mir dies aber relativ schnuppe. Interessanter wäre zu erfahren wo überhaupt das Spiel ist. Ein Bällchen schweben zu lassen, auf welche Art auch immer, ist ja nun kaum abendfüllend, auch wenn noch ein kleiner Hindernisparcours mitgeliefert wird. Und spannend wäre es auch zu erfahren, wie sich die Mattels diese spielerische Zukunft vorstellen. Sollen wir uns schweigend gegenüber sitzen und uns mit hirngesteuerten Wattebällchen bewerfen. DIE ZUKUNFT DER SPIELE – ein knackiger Werbespruch, der aber letztendlich nur wieder einmal belegt, dass Mattel von Spielen – so wie wir sie kennen und lieben – ganz, ganz wenig Ahnung hat.
Innovation findet man am Stand des holländischen Verlages Goliath auch eher selten, aber in diesem Jahr sind sie ganz weit vorne. Der Kracher heißt KACKEL DACKEL, und der große Plastikdackel macht genau das. Der Würfel bestimmt, ob der Dackel geladen oder die anhängende Handpumpe bedient werden darf, während die kleinen Saubermänner am hinteren Ende des Dackels mit ihren Schäufelchen lauern. Hier gilt mal wirklich das Wort unseres Altkanzlers: „Entscheidend ist, was hinten raus kommt.“
Was kommt hier hinten raus?
Auch zu dieser Sensation gibt es ein Filmchen im Internet. Da ruft ein Betrachter des Kackel Dackels überrascht aus dem Off: „Wie ekelhaft ist das denn!?“ und damit ist der optische und akustische Reiz dieses Krachers eigentlich abschließend beschrieben. Kinder sind allerdings deutlich schmerzfreier, der Demodackel am Stand wurde ordentlich bespielt. Und damit kommen wir zum unterschwelligen pädagogischen Ansatz, der ganz sicher als Verkaufsargument eingeplant ist. Spielerisch lernen die lieben Kleinen, dass ein braver Hundebesitzer seinem vierbeinigen Freund ein Schäufelchen unter Poperze rammt, sobald dieser nur leicht mit den Hinterbeinen einknickt. Tatsächlich wie im richtigen Leben. Und sogar Grundlagen der Hundehaltung werden vermittelt. Immer wieder kann man beobachten, dass die lieben Kleinen den Dackel am Schwanz hochziehen um nachzusehen, wann das nächste Großereignis ansteht. Genau so geht’s. Und im Expertenmodus des echten Lebens gewinnt dann derjenige, der das Schäufelchen festhalten kann, auch wenn der Dackel am Arm hängt.
1000 Neuheiten und LOGO
Ein ganz trauriges Bild bietet auch schon seit Jahren Jumbo. Früher, als die etablierten Verlage ihre Spiele überwiegend in Nürnberg vorstellten, lohnte oft ein Abstecher in die kleine Verbindungshalle, wo der holländische Traditionsverlag residierte. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Von Jumbo hat ein Spieler nichts zu erwarten, und in diesem Jahr wurden diese Erwartungen tatsächlich noch unterboten. Na LOGO, könnte man meinen, die Richterskala der Peinlichkeit ist natürlich nach oben offen. Aber das tatsächlich jemand auf die Idee kommt die Supergurke SLOGAN auszugraben… „Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Sie eigentlich so viel Werbung schauen?“, fragt der gut gelaunte Spielerklärer auf der Jumbo-Homepage und folgert messerscharf: „Daraus kann man doch ein Spiel machen.“ Ja nee, schon klar jetzt wissen wir‘s und endlich auch was wir zwischen den tollen Werbeeinblendungen machen können. 1600 spannende Fragen rund um Logos, Marken und Firmen. Wenn das mal nicht klasse ist. Jumbos Werbetext zu LOGO endet mit dem Slogan: „Ich bin doch nicht blöd“. Nun, ich bin mir da nicht ganz so sicher…
Herbert Heller